Wege zur Verkehrswende

Was Bund, Länder, Kommunen und die Wirtschaft tun können und sollten

Vortrag von Prof. Dr. Heiner Monheim (Institut für Raumentwicklung und Kommunikation, Trier)


Der renommierte Verkehrsexperte Prof. Dr. Heiner Monheim sprach in einem mitreißenden Vortrag über die Wege zur Verkehrswende. Ein Thema, das an Aktualität und Bedeutung in Sachen Umwelt- und Klimaschutz in erster Reihe steht. Einerseits möchten oder müssen wir alle mobil sein, andererseits tragen Individual- und Güterverkehr zu höheren CO2-Emissionen und zur Zersiedlung der Landschaft bei, fördern die Versiegelung weiterer Grünflächen und führen zu unzähligen Staus. Was ist zu tun und welche Akteure müssen angesprochen werden, um eine gelungene Verkehrswende zu schaffen?

Deutschland seit den 50er Jahren – ein Land wird mobil


„Geht in die Archive“! rät Prof. Monheim seinen Studierenden, „schaut erst einmal, welche Daten bereits erhoben wurden“. Tatsächlich ist die Datenlage zur Erfassung der Infrastruktur miserabel und sehr einseitig: Fuß- und Fahrradwege sind kaum erfasst, der Fokus liegt eindeutig auf den Verkehrsmitteln Eisenbahn, PKW und dem Güterverkehr per LKW. Dabei wird sehr schnell deutlich, dass noch in den 1920er Jahren des 20. Jh. das Schienennetz in Deutschland sehr gut ausgebaut war. Seit den 1950er Jahren wurde es zugunsten des Autoverkehrs immer mehr zurückgedrängt. Deutschland wurde automobil und wer es sich leisten konnte, fuhr natürlich mit dem Auto. Dabei ist das Auto neben der Bahn längst nicht das einzige Fortbewegungsmittel, so war das Fahrrad noch in den 1950er Jahren das wichtigste Fahrverkehrsmittel. Auch heute macht die Fußmobilität, in sog. kleinen Etappen (z. B. von zu Hause zur Bus- oder Bahnhaltestelle) gerechnet, 80% der täglichen Mobilitätsetappen aus. Doch Fußgänger haben – im Gegensatz zur Automobilindustrie – keine Lobby.

Deutschlands Exportschlager – Stau


Mit der ersten Verkehrswende seit Mitte der 1950er Jahre wurde Deutschland „Autoland“. Nach und nach wurden Städte und Regionen autogerecht gestaltet, und dieser Ausbau ließ wenig Platz für andere Verkehrsarten zu. Neben dem Auto als Statussymbol kam zusätzlich die Zentralisierung hinzu: Viele Schulen und Krankenhäuser wurden geschlossen, Verwaltung und Einzelhandel wanderten in die Ballungsräume ab. Dezentralisiert wurden hingegen Autobahnen, Hochschulen und Freizeiteinrichtungen; periphere Wohn- und Gewerbegebiete entstanden. Dadurch veränderten sich das Stadtbild und die regionale Entwicklung. Der zunehmende motorisierte Personenverkehr und der Güterverkehr führen seitdem zu Stau in Ballungsräumen und auf Autobahnen. Die Menschen sind nun fast zwangsläufig auf das Auto angewiesen. Und, anstatt sich zusammenzutun, um möglichst viele Personen zu transportieren, nutzen durchschnittlich heute nurmehr 1,1 Personen ein Auto werktags im Vergleich zu 3,4 Personen um 1960. Längst ist das Phänomen Stau zum Exportschlager Deutschlands geworden.

Eine neue Verkehrswende ist notwendig


Der Klimawandel und der Verkehrskollaps machen es deutlich: wir brauchen erneut eine Verkehrswende, die sich diesmal zum Ziel setzen muss, den vorhandenen automobilen Straßenverkehr deutlich abzubauen. „Die Verkehrswende ist zwingend, und erfordert einen starken Umweltverbund aus attraktivem Öffentlichem Verkehr sowie Rad- und Fußverkehr“, so Monheim. Dabei sind die Ziele, weniger Autos auf die Straßen zu bringen, möglichst unter 150 PKW pro 1.000 Einwohner, und Straßen rückzubauen, um die Flächen zu renaturieren.
Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es eines Moratoriums des konventionellen Straßenbaus. Ein grundlegender Wandel erfordert folgende Maßnahmen:

  • Ein nationales Bundesradwegenetz
  • Die Umqualifizierung der Straßenbauverwaltung auf den Bedarf auf Schiene, Rad- und Fußwege
  • Ein Ausbauprogramm Schiene
  • Unsinnige Großprojekte zu beenden
  • Den Bundesverkehrswegeplan sowie das Straßengesetz zu ändern
  • Eine Reform der Nutzung und Besteuerung von Dienstautos
  • Ein Tempolimit auf Autobahnen
  • Die Reaktivierung vieler stillgelegter aber noch nutzbarer Bahnstrecken
  • Den Ausbau der Güterverkehrswege
  • Den Neu- oder Ausbau von S-Bahn-Haltestellen, Straßenbahnen und die Etablierung neuer Bussysteme für Stadt und Land
  • Kombibusse, die Personen und Waren transportieren können
  • Die Finanzierung der Kommunen für Radschnellwege, Radstationen und Brücken sowie Leihradsysteme. Ebenso zusammenhängende Netze und keine Alibiradwege
  • Konzepte für den Fußverkehr mit Promenaden und Flaniermeilen mit vielen Bäumen und Plätzen, die eine städtebauliche Qualität ergeben.

Um diese Vielzahl an Forderungen für eine gelungene Verkehrswende auch wirklich anzugehen und umzusetzen, ist eine Vielzahl an Akteuren notwendig. Zunächst sind wir alle als individuell Handelnde gefragt. Wir können den Beginn machen und unser Verhalten in der Verkehrsnutzung umstellen. Insbesondere können wir die Nahmobilität mit dem Auto vermindern. Die Institutionen in Politik und Verwaltung müssen umdenken. Verkehrspolitiker sind oftmals sehr emotional an das Auto gebunden. Doch muss insbesondere an dieser Stelle ein Umdenken einsetzen. Kommunen, Länder und Bund müssen den Schienen,- Rad- und Fußverkehr fördern und insgesamt innovativer werden. Die Wirtschaft ist als Akteur gefragt, wenn es um Konzepte für betriebliches Mobilitätsmanagement geht und zuletzt können die Stakeholder wie Lobbys, Medien und Verbände mehr fordern und mit ihren Forderungen offensiver an die Öffentlichkeit gehen.


Weiter Informationen finden Sie auf der Homepage des Instituts für Raumentwicklung unter raumkom.de und auf der persönlichen Seite von Prof. Monheim unter heinermonheim.de

Dr. Marianna Musella und Dr. Stephan Seiler

Mitmachen stärkt uns

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner