Vier fürs Klima

Vortrag von Günther Wessel, Schriftsteller und Journalist


Der Schriftsteller und Journalist Günther Wessel war zu Gast in der Vortragsreihe „Mensch und Schöpfung“, um das Buch „Vier fürs Klima“ vorzustellen. Darin beschreiben Wessel und seine Frau Petra Pinzler, wie ihre Familie versucht, klimafreundlich zu leben und gute Kompromisse für den Alltag zu finden.

Ausgangspunkte für das Familienprojekt waren der Ethikunterricht der Tochter Franziska und der Klimarechner des WWF, in dem die Klimabilanz der vierköpfigen Familie eher durchwachsen ausfiel. 42 Tonnen CO2 war zwar das beste Ergebnis der Schulklasse, es schien aber dennoch sehr hoch zu sein. Der daraus entstandene Selbstversuch drehte sich um die Frage: Was können wir als Familie machen, um unseren CO2-Ausstoß zu verringern? Ein Jahr lang wurde beobachtet, was im täglichen Leben geändert werden kann und welche liebgewonnenen Gewohnheiten klimaschädlich sind. Als Beispiel nannte Wessel frische Äpfel, die Sohn Jakob gerne isst: Welche Sorte hat eine bessere Klimabilanz? Einheimische oder importierte? Die Frage scheint leicht zu beantworten. Bedenkt man allerdings die Emissionen zur Kühlung der Lagerhäuser, sieht die Sache wieder nicht so eindeutig aus. Nach langen Recherchen konnte die Familie klären: Bis März die einheimischen, danach die aus Übersee. Weitere Fragen beschäftigten sich auch mit dem Weg zum Einkaufen, dem Wasserverbrauch, dem Plastikmüll, den Verpackungen und der Moral bei den Einkäufen. Wie sehen die Produktionsbedingungen aus und welche Lieferketten besitzen die verschiedenen Produkte? Jeder Mitmensch in Deutschland verbraucht durchschnittlich 11 Tonnen CO2 pro Jahr; zum Erreichen der Pariser Ziele gegen die Erderwärmung dürfen es jedoch nur 2,2 Tonnen sein! Zum Vergleich: Menschen in vielen Entwicklungsländern emittieren nur ca. eine Tonne pro Jahr. Um die Probleme und Herangehensweise der Familie deutlich zu machen las Günther Wessel zwei Passagen aus deren Buch vor, in denen es um Ernährungsfragen und Urlaubsreisen geht. Im zweiten Teil des Vortrages wurden die Gespräche mit Freunden und Verwandten, und wie sie zu dem Projekt stehen, diskutiert.

Ernährung

Der Fleischverzehr trägt in hohem Maße zur Bildung klimaschädlicher Gase bei. In Deutschland verzehrt jede Person durchschnittlich 60 kg Fleisch pro Jahr. Neben den Transport-, Kühlungs- und Transportkosten stoßen Kühe am Tag bis zu 320 g Methan aus, das für das Klima schädlicher ist als CO2. Das ausgestoßene Methan entspricht einer Tagesproduktion von bis zu 6,7 kg CO2, was bis zu einer Jahresbilanz von 2,4 Tonnen CO2 im Jahr pro Kuh führen kann. Zudem verbraucht die Tierzucht große Mengen an Antibiotika (70 % weltweit), Wasser und Tierfutter, für das Regenwald am Amazonas abgeholzt wird.

Urlaub und Fliegen

Der Kerosinverbrauch, die Kondensstreifen und Stickoxide machen das Fliegen zu einem klimabelastenden Vergnügen. Familie Wessel hat sich bei Atmosfair über die Kompensation der CO2-Werte durch Klimaschutzprojekte informiert. Sind sie ein sinnvoller Beitrag zum Klimaschutz? Atmosfair fördert durch das eingenommene Geld Projekte in Entwicklungsländern, bspw. in Nigeria. Wessel sieht die Kompensation als Übergangslösung an, langfristig kann sie das Problem jedoch nicht lösen, sondern nur die Reduzierung von Flugreisen.

Reaktionen des Freundeskreises und der Familie

Die Reaktionen auf das Klimaprojekt war im Familien- und Freundeskreis geteilt. Es fielen Sätze wie „das gängelt kleine Leute und vergisst die Großen“ oder es handle sich um „Wohlstandsbürger aus der Großstadt, die sich das leisten könnten“. Wörter wie „Besserwisser“, „Ökogerede“ und „Spaßbremsen“ fielen. Doch einige wollten mehr über das Projekt wissen. Wessel fragte sich, warum sich viele Menschen so schwer mit der Thematik tun und nannte das Phänomen „Kognitive Dissonanz“, ähnlich bei Rauchern, die Ausreden erfinden, um die Schädlichkeit des Rauchens zu vertuschen. Zu den Ausreden gehören Kleinreden, Relativieren der wissenschaftlichen Erkenntnisse, Entlastung bzw. Wettmachen und Leugnen. Als Beispiel zitierte Wessel das vielgenannte Argument: „Wir sind in Deutschland nur geringfügig am CO2-Ausstoß beteiligt, andere Länder sind viel schlimmer.“ Das Gegenargument dazu heißt: Schuldzuweisungen an andere und eigene moralische Erhöhungen bringen nichts. Nur das Sprechen über Mühen, Rückschläge, Kontroversen und das gemeinsame Diskutieren über die Möglichkeiten bringen etwas.

Ergebnis

Die Familie von Günther Wessel konnte im Jahreszeitraum 31 % CO2 einsparen und kam auf einen Jahresausstoß von 29 Tonnen. Damit war das Projekt jedoch nicht beendet, sondern es trat ein langfristiger Umdenkprozess ein. Der Verzicht aufs Fliegen, bzw. die CO2-Kompensation bei unumgänglichen beruflichen Flügen, die Abschaffung des eigenen Autos und die Reduktion des Fleischkonsums (die Kinder Franziska und Jakob waren bereits davor aus Tierschutzgründen vegetarisch). Neben den eigenen Verhaltensweisen ist jedoch auch politischer Druck nötig, um die Klimagasemissionen massiv zu verringern. Hoffnung macht die aktuelle EU-Politik, die den Klimawandel als großes Problem ansieht und versucht gegenzusteuern. Aber auch Vorschriften sind laut Wessel kein Tabu, da Vorwürfe meist bei Umweltfragen auftauchten. Bei Rauchverboten bspw. würde sich fast niemand mehr darüber ärgern, ebenso wenig bei Versicherungsschutz oder Schulpflicht. In jedem Fall sei eine Einmischung in politische Prozesse und Entscheidungen immens wichtig.

Dr. Stephan Seiler

Link zum Buch bei Droemer Knaur

Aufzeichnung des Vortrages in der Katholischen Akademie

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