Pro und Contra Jagd – Ein Streitgespräch

Vortrag von Dr. Simone Horstmann (Institut für Katholische Theologie, Technische Universität Dortmund) und Reinhard Wilde (Erzbischöfliches Ordinariat Freiburg)


Aus der bekannten Vortragsreihe „Mensch und Schöpfung“ der Musella-Stiftung wurde am 23. September ein „Streitgespräch“, bei dem das Thema der Jagd aus zwei gegensätzlichen Positionen betrachtet wurde. Pro und Contra Jagd – unter diesem Motto diskutierten Dr. Simone Horstmann, Theologin aus Dortmund und Reinhard Wilde, Jäger und Jurist aus Freiburg verschiedene Aspekte und Kontroversen der Jagd aus theologischer, ethischer, ökologischer und juristischer Sichtweise.

Pro Jagd

Reinhard Wilde aus Freiburg, Jurist im Erzbischöflichen Ordinariat Freiburg und Jungjäger, verwies zu Beginn seiner Darstellung darauf, dass er sich vor Erhalt des Jagdscheins viele Gedanken über die Ausbildung und die Tätigkeit machte. Seine These besteht in der Aussage, dass „Jagd und Jäger im Rahmen der Ordnung in Ordnung“ seien. Die Jagd innerhalb der gesetzlichen Grenzen sei sogar ein Auftrag der Regierungen, und bspw. in Baden-Württemberg durch das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz und zahlreiche Verordnungen stark geregelt. Dieses basiert auf der Eigentumsgarantie: Nach Art. 14 des Jagdrechts ist die Jagd mit dem Besitz von Grund und Boden verbunden. Das Tierschutzgesetz § 1 hingegen schütze Tiere als „Schutzgut“ als Staatszielbestimmung. Beide Normen müssen also in Einklang gebracht werden. Für die Tötung von Tieren bedarf es eines triftigen Grundes. Es besteht für Jäger die Verpflichtung der Hege und die der Abschusspläne – es handelt sich demnach um die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, die der Staat übernehmen würde, gäbe es keine Hobbyjäger und es entstünden dadurch Mehrkosten. Wilde nannte im weiteren Verlauf seines Vortrags einige Kernpunkte seiner Argumentation:

Waidgerechtigkeit: Sie ist das Kernstück der Jagdkultur und regelt nach § 8 Absatz 1 JWMG die Begrenzung des Wildes und eine nachhaltige Nutzung von Wildtieren: „Eine Jagdausübung ist nur waidgerecht, wenn sie allen rechtlichen Vorgaben sowie allen allgemein anerkannten, geschriebenen oder ungeschriebenen Regelungen und gesellschaftlichen Normen zur Ausübung der Jagd, insbesondere im Hinblick auf den Tierschutz, die Tiergesundheit, den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, das Verhalten gegenüber andern Inhaberinnen und Inhabern des Jagdrechts, jagdausübungsberechtigten Personen und der Bevölkerung sowie im Hinblick auf die Jagdethik , entspricht.“ Weiterhin werden die Tiere durch den Verzehr genutzt. Das Abschießen eines Tieres aus Spaß ist eine Rechtswidrigkeit.

Aus theologisch-moralischer Sichtweise geht Wilde auf eine gesellschaftliche Vereinfachung von Moralität aus, die schnell rote Linien ziehe, ohne sich der Diskussion zu stellen: „Das geht gar nicht“. Weiterhin zitiert er den Philosophen Alexander Grau: „Doch erstmals in der abendländischen Kulturgeschichte ist Moral heutzutage nicht länger Ausdruck eines übergeordneten und normierenden Wertesystems wie etwa der Tradition oder einer Religion. Der modern moralische Diskurs kreist um sich selbst. Moral wird selbstbegründend. Als moralisch gilt das, was aufgrund moralischer Erwägungen als moralisch gilt.“ Weiterhin erkennt Wilde die Leidensfähigkeit und das Bewusstsein von Tieren an, lehnt jedoch deren Gleichstellung mit dem Menschen ab, da sie keine Moral und keine Freiheit des Geistes besäßen. Dafür verfügten sie über ein hohes Maß an Resilienz und machten keinen Unterschied zwischen Menschen und natürlichen Fressfeinden. Aus seiner Sichtweise seien viele Jagdgegner Städter, die die Natur romantisierten. Diese könne allerdings auch grausam sein und der Tod gehöre dazu. Einen quasi menschenrechtlichen Status von Tieren lehnt Wilde ab, da Tiere in sich sehr unterschiedlich seien.

Als Konsens im Rahmen der Podiumsdiskussion sprach Wilde von der Leidensfähigkeit von Tieren, die er anerkenne und wünschte sich seitens der Jägerschaft ein rechtes Maß – von der Gegenseite jedoch auch einen sachlichen und weniger emotionalen Diskurs.

Contra Jagd

Der Vortrag von Frau Dr. Simone Horstmann, Theologin an der Technischen Universität Dortmund, beinhaltete drei zentrale Argumente gegen die Jagd: ökologisch, ethisch und theologisch.

Nach Ansicht von Horstmann ist die Jagd nicht notwendig, um Schäden an Wald- und Forstbeständen sowie in der Landwirtschaft zu vermeiden. Dafür gäbe es andere Schutzmechanismen, beispielsweise Pflanzenschutzgitter, Abzäunungen und Kontrazeptiva ohne Hormone. Darüber hinaus wiesen neue Studien darauf hin, dass Wildtiere sich umso mehr vermehren, desto größer der Jagddruck auf ihre Populationen ist. Das Problem bei Ökologieargumenten pro Jagd liegt demnach in der von außen geregelten Regulierung durch Jägerinnen und Jäger, die der Tierwelt ihre Gesetze aufoktroyierten und sie für Dinge verantwortlich machten, die sie selbst verursacht haben. Laut Jens Tuider, den Horstmann zitiert, schlägt die ökologische Schieflage, die der Mensch durch sein Handeln selbst verschuldet, wieder auf ihn zurück.

Aus den vermeintlichen ökologischen Argumenten werde von Jägern eine ethische Legitimität abgeleitet. Fast alle Jägerinnen und Jäger ignorierten laut Horstmann tierethische Diskussionen und könnten die Frage nach dem normativ relevanten Unterschied zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren nicht adäquat, d.h. auf der Höhe des aktuellen wissenschaftlichen Diskussionstands beantworten.

Als letzter Punkt wurde von Horstmann die Frage aufgeworfen, ob die Jagd theologisch zu rechtfertigen sei. Die klassische Theologie stellt den Menschen über das Tier (dogmatisch getragene Sonderstellung des Menschen) und legitimiert dadurch die Gewalt an anderen Wesen. In den letzten Jahren trat jedoch ein Wandel bei einigen Theologen ein, dass Tiere als Teil der Schöpfung Gottes die gleichen Rechte hätten wie die Menschen (vgl. Vorträge Hagencord, Ruster auf der Homepage).

Eine eigentliche Intention der Jagd sei der Mythos der erlösenden Gewalt durch die Frieden entstehe (nach dem US-amerikanischen Theologen Walter Wink). Dieser Mythos ist laut Horstmann seiner Herkunft nach ebenso christlich, wie er in seinen Konsequenzen zutiefst unchristlich ist. Diese Schieflage sei allerdings nicht den Jägerinnen und Jägern allein anzulasten, sie sei vielmehr das Ergebnis einer anthropozentrisch verkürzten Theologie.

Dr. Stephan Seiler

Aufzeichnung des Vortrages in der Katholischen Akademie

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