Das Ende der Evolution

Vortrag von Prof. Dr. Matthias Glaubrecht, Direktor des Centrums für Naturkunde der Universität Hamburg


Professor Matthias Glaubrecht, Autor des Buchs „Das Ende der Evolution“ war Gast in der Vortragsreihe „Mensch und Schöpfung“. Die gemeinsame Reihe der Musella-Stiftung und der Katholischen Akademie Freiburg fand zum ersten Mal Covid-19-bedingt rein digital statt.

Thema des Vortrags und Glaubrechts Buch ist das große menschenbedingte Artensterben.

Der Biodiversity Report der Vereinten Nationen geht davon aus, dass in den nächsten Jahrzehnten Millionen von Arten der Tier- und Pflanzenwelt aussterben könnten. Evolutionär gesehen gehören Artensterben zur Natur dazu und es entstehen immer wieder neue Arten. Der Unterschied zu den momentanen Vorgängen ist allerdings, dass es sich um einen unnatürlichen Vorgang handelt, an dem der Mensch maßgeblich beteiligt ist.

Der Mensch als Evolutionsfaktor

Um die Vorgänge zu verstehen ging Glaubrecht zunächst darauf ein, wie der Mensch zu solch einem erfolgreichen Evolutionsfaktor werden konnte. Bereits seit ca. 5-6 Millionen Jahren gibt es Hominiden und seit ca. 300.000 Jahren ist der Homo Sapiens in seiner heutigen Form nachgewiesen. Im Zusammenhang mit dessen Wanderbewegungen um den gesamten Erdball können auch immer wieder Artensterben gebracht werden. Beispielsweise starb vor ca. 40.000 Jahren die Mega-Fauna in Australien aus, nachdem die ersten Menschen den Kontinent besiedelt hatten. Eine Plündermentalität schien schon immer zu den Jäger- und Sammlergruppen zu gehören.

Momentan, im Jahr 2021, gibt es ca. 7,8 Milliarden Menschen auf der Welt; die Prognose geht von ca. 10 Milliarden gegen Ende des 21. Jahrhunderts aus. Zwar geht im weiteren Verlauf des Jahrhunderts die Geburtenrate auch in Entwicklungsländern Afrikas und Asiens zurück, doch steigt insgesamt die Lebenserwartung. Dreiviertel der Landfläche wird inzwischen vom Menschen genutzt. Es lässt sich daher von einem „Anthropozän“ einem „Menschenzeitalter“ sprechen.

Die Auswirkungen

Klimawandel, CO2-Steigerung, bewirtschaftete Landfläche und Fischfang sind Merkmale des Anthropozäns. Zum ersten Mal übersteigt die von Menschen erschaffene Materie die Biomasse auf der Erde. Eine Konsequenz daraus ist das Artensterben, das insgesamt einem hohen Gefährdungsgrad aller Tier- und Pflanzenarten führt. Es kommt zu einem Verlust der Wirbeltiere und zu einem hohen Verlust an Biomasse bei Insekten. Diese, beispielsweise Wildbienen, sind jedoch wirtschaftlich gesehen wichtig als Pflanzenbestäuber. Ebenfalls betroffen sind Vögel, insbesondere Ackervögel, deren einstiger Bestand bereits bis zu zwei Drittel geschrumpft ist.

Die Abnahme der tropischen Regenwälder zugunsten von Ackerfläche ist ebenfalls weit fortgeschritten. Zwischen den Jahren 2000 und 2013 kam es zu einem globalen Verlust von 35% der Waldflächen. Diese „alten“ Wälder haben zudem eine ganz andere Struktur als neugepflanzte Wälder. Große Verluste, insbesondere in Indonesien, fallen Ölpalm-Plantagen zum Opfer. Der große Reichtum an Artenvielfalt verschwindet. Dort werden auch noch Pestizide verwendet, die in Europa nicht mehr erlaubt sind. Der europäische „Green New Deal“, der die hiesige Natur schützen soll, könnte das Problem noch mehr in tropische Länder verlagern. Nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie kann auf den Verlust von natürlichen Lebensräumen und den Verzehr von Wildtieren, wie Schuppentieren und Fledermäusen, zurückgeführt werden.

Insgesamt ist vor allem der Verlust an Lebensräumen für das Artensterben verantwortlich. Dazu kommen Jagd und Wilderei und letztlich auch der Klimawandel, wenn auch in geringerem Ausmaß. Von politischer Seite müssten dringend Zielvorgaben gegen den Artenschwund vorgegeben werden, so wie dies nun beim CO2-Ausstoß passiert. Ein Drittel der Erdoberfläche müsste laut Glaubrecht bis 2050 unter Naturschutz gestellt und Renaturierungsmaßnahmen vorangetrieben werden. Ein globales „Sicherheitsnetz“ muss die Erde vor dem Artensterben schützen.

Ausblick

Der Vortrag wurde in der folgenden Diskussion noch ein einigen Stellen vertieft. Auf die Frage des Leiters der Katholischen Akademie, Dr. Karsten Kreutzer, ob Glaubrecht drei Ratschläge erteilen könnte, fasste er zusammen:

  1. Ein breiter Bildungskanon ist wichtig, um große Bevölkerungsteile durch ein neues Naturverständnis auf die Problematik aufmerksam zu machen.
  2. Der Schutz der Naturräume muss vor der eigenen Haustüre beginnen. Dafür braucht es politische Leitplanken und gesellschaftlichen Engagement.
  3. Wir als Konsumenten müssen unsere bisherige Lebensweise auf den Prüfstand stellen in Sachen Ernährung, Mobilität und Konsum.

 Dr. Stephan Seiler

Aufzeichnung des Vortrages in der Katholischen Akademie

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