Neue Wege gehen

Wo unsere Agrikultur falsch lag und wie Permakultur helfen kann

Vortrag von Dipl.-Geograph Stefan Schwarzer (Gemeinschaft Schloss Tempelhof, Kreßberg)


Die intensive Landwirtschaft führt zu einer ständigen Degradation von Bodenfruchtbarkeit und Verlust an Boden. Wir können davon ausgehen, dass die verbliebende Menge und Qualität an fruchtbarem Boden weltweit noch für ca. 60 bis 100 Ernten ausreichen. Ein weitreichender Ansatz, der die natürlichen Ressourcen nicht nur nachhaltig, sondern auch regenerativ – d.h. wieder aufbauende – nutzt, ist die Permakultur. Der Geograph und Permakultur-Designer Stefan Schwarzer lebt und arbeitet seit 2012 in der Lebensgemeinschaft Schloss Tempelhof und ist Spezialist für Permakultur in der Landwirtschaft. Im Rahmen der Vortragsreihe „Mensch und Schöpfung“ der Musella-Stiftung und der Katholischen Akademie Freiburg referierte er am 3. April 2019 über die neuen Wege und Möglichkeiten in der Agrikultur.

Historischer Background zur Landwirtschaft

Die Menschen entwickelten den Ackerbau erstmals im Vorderen Orient vor ca. 10-12.000 Jahren – dem stehen ca. 1,5 Millionen Jahre als Jäger und Sammler gegenüber. Bei der Sesshaftwerdung des Menschen handelt sich also um eine relativ neue und kurze Errungenschaft. Die sog. neolithische Revolution veränderte das Dasein des Menschen grundlegend. Konnten die Ressourcen zuvor zum größten Teil wirklich nachhaltig genutzt werden, führte die Landwirtschaft zur Zerstörung vorhandener Ökosysteme und zu einem Anwachsen der Bevölkerung. Die größere Bevölkerung wiederum benötigte mehr Nahrung, die angebaut werden musste. Die Vorteile des Getreides gegenüber den gesammelten Pflanzen liegen in der Möglichkeit seiner Lagerung und einem Überschuss, der wiederum getauscht werden kann. Dazu bedarf es einer funktionierenden Messmethode, einer Buchhaltung, Regelungen wer wie viel einlagert und ausgehändigt bekommt, Gesetzen zur Bestrafung von Diebstahl und Bewaffnung zum Schutz der Reserven. Kehrseite der unglaublichen kulturellen Errungenschaft, die sich mit und dank der Landwirtschaft entwickelten, waren Kriege, Bevölkerungswachstum, Verunreinigung der Luft, Rodung der Wälder und, in unseren Zeiten, Massentierhaltung. Auch für jeden Einzelnen gab es Nachteile: Verschlechterung der Gesundheit durch einseitige Ernährung, epidemische Krankheiten, Hungersnöte und eine im Allgemeinen kürzere Lebenserwartung. Die Landwirtschaft an sich ist nicht negativ, sondern ihr degenerativer Aspekt. Daher ist der Ansatz der Permakultur, die natürlichen Ressourcen nicht nur zu erhalten, sondern zu regenerieren.

Stefan Schwarzer diskutiert mit Karsten Kreutzer

Was unterstützt die Permakultur?

Die Gründerväter der Permakultur, Bill Mollisson und David Holmgren, entwickelten ein Gestaltungskonzept für regenerative Lösungen in der Agrarwirtschaft. Das Wort Permakultur leitet sich aus dem englischen permanent (agri)culture ab. Sie unterstützt verschiedene Punkte, wie weniger Getreide essen, mehr Naturverbundenheit, Hortikultur (Gartenkultur) statt Agrikultur und Vielfalt statt Einfalt. Trotz verschiedener Ansätze und Auslegungen steht die Permakultur auf drei grundlegenden Säulen: Ethik, Design-Prozess und Prinzipien. Ethik bedeutet hierbei ein achtsamer Umgang mit der Erde und allen Lebewesen inklusive des Menschen, die Selbstbegrenzung und die Überschussverteilung. Der „Design-Prozess“ stützt sich insbesondere auf die Analyse der Natur und der entsprechenden Umsetzung und Pflege. Die Prinzipien dabei sind z.B. das Beobachten und Interagieren, keinen Abfall zu produzieren und kleine sowie langsame Lösungen zu nutzen – große Muster, die wir überall in der Natur entdecken können. Praktische Anwendungen aus der Permakultur werden jeweils aus der Beobachtung der Natur heraus entwickelt. Beispielhaft können für eine Ressourcen aufbauende Landwirtschaft die stete Bedeckung des Bodens z.B. mit Mulch, eine pfluglose Bodenbearbeitung, die Direktsaat und Untersaaten zwischen den Pflanzen genannt werden. Ackerbau und Gehölze sollen sich abwechseln (Agroforstwirtschaft) und Mischkulturen entstehen. Der Kuhdung sollte nicht ungefiltert auf die Felder gebracht werden, sondern auch als Brennstoff, Biogas, Kompost und zur Wurmzucht verwendet werden. Die Permakultur greift neben der Landwirtschaft auch viele andere gesellschaftliche, gesundheitliche und ökologische Themen auf. Sie reichen von Nachbarschaftshilfe über Ernährung, Wasserhaushalt bis zur Energieversorgung.

Weitere Informationen und Aktuelle Beiträge veröffentlicht Stefan Schwarzer regelmäßig auf seinem Blog unter www.lebensraum-permakultur.de

Zur Ressourcenaufbauenden Landwirtschaft organisiert er das Symposium „Aufbauende Landwirtschaft“ (www.aufbauende-landwirtschaft.de).

Wege in eine Ressourcen aufbauende Landwirtschaft (Artikel zum Download)

Sein Buch „Die Humusrevolution“ ist 2017 im Oekom-Verlag erschienen.

Dr. Stephan Seiler

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