Und die Notwendigkeit von Biodiversitätsmonitoring
Vortrag von Prof. Dr. J. Wolfgang Wägele (Musem König, Bonn)
Der bekannte Zoologe Prof. Dr. J. Wolfgang Wägele referierte am 23. Januar 2019 im Rahmen der Vortragsreihe „Mensch und Schöpfung“ der Musella-Stiftung und der Katholischen Akademie über das Insektensterben und die Notwendigkeit von Biodiversitätsmonitoring. Dabei schilderte er die aktuelle Forschungssituation, erklärte Hintergrundinformationen und gab den Zuhörenden praktische Tipps für den eigenen Beitrag gegen das Insektensterben.
Professor Wägele ist Zoologe, Direktor des Bonner Museums König und einer der führenden Experten für Trendanalysen bei Insekten. Seine Expertise wird regelmäßig von den Medien und der Politik erbeten. In seinem anschaulichen Vortrag machte er zunächst auf den dramatischen Rückgang der Insekten-Biomasse in den letzten Jahrzehnten aufmerksam. Weiterhin erklärte er den Zusammenhang zwischen diesem Rückgang und demjenigen anderer Tiere in der Nahrungskette, beispielsweise zahlreicher Vogelarten. Für den Menschen ist das Insektensterben problematisch, da die kleinen Tiere für die Bestäubung zahlreicher Nutzpflanzen, beispielsweise im Obstanbau, und Wildpflanzen verantwortlich sind.
In den Medien wird das Insektensterben oftmals mit dem geringer werdenden Anteil von Insekten auf der Windschutzscheibe des Autos bildlich dargestellt. Wie dramatisch die Situation wirklich ist, machte das Bekanntwerden der sog. „Krefelder Studie“ deutlich, die der Krefelder Insektenforscherverein 2017 publizierte. Deren Messungen zwischen den Jahren 1989 und 2004 sowie 2004 und 2014 ergab nach der statistischen Auswertung einen Rückgang an Biomasse von ca. 70% in den entsprechenden Messungsgebieten. Diese wahrhaftigen Auswirkungen wurden jahrelang weder von Forschungsinstituten noch von Bundesämtern bemerkt und sorgten nach ihrer Publikation für weltweites Aufsehen. Die Verluste kündigten sich jedoch schon viel früher an, beispielsweise bei Schmetterlingen wie dem Kleinen Mauerfuchs oder dem Rückgang von Vogelarten wie dem Star, die insbesondere in Agrarlandschaften vorzufinden sind.
Zu den Faktoren, die das Insektensterben begünstigen, gehören seiner Meinung nach die intensive Energie- und Landnutzung, der Einsatz von Insektiziden wie Glyphosat und Neonicotinoide, die Überdüngung und Belastung der Böden mit Nitrat und Stickstoffen, die Lichtverschmutzung, der Verkehr und letztlich auch das Wachstum der menschlichen Bevölkerung. Die genauen Zahlen des Rückgangs und die genauen Auswirkungen der genannten Faktoren müssten jedoch noch viel genauer und flächendeckender untersucht werden. Kaum erforscht sind tatsächliche Daten zum Insektenrückgang, da deren Bestimmung schwierig ist und ungleiche Erhebungsdaten zu falschen Ergebnissen führen. Auch die Effekte der Pestizide auf die Insekten sind noch unzureichend erforscht. Weiterhin die Verkettung von Verlusten zwischen insektenfressenden Vögeln und den Insekten selbst, sowie die Überlebensfähigkeiten verschiedener Populationen.
Die aktuelle Forschung stützt sich auf wissenschaftliche Methoden und Messverfahren. Beispielsweise können Insekten anhand von „Barcoding“, d. h. der schnellen Bestimmung ihres genetischen Codes viel schneller kategorisiert werden als durch klassische Methoden. Im sog. „Monitoring“ werden standardisierte Mess- und Zählmethoden angewandt und die erhobenen Daten über die Biodiversität nach verschiedenen Kriterien ausgewertet. Forschungsmethoden aus der Fernerkundung helfen bei Kartierungen und stellen die Veränderungen der Landschaft dar. Nicht zuletzt können Erhebungen durch Kameras „Mottenscanner“ und eine Analyse der „Duftlandschaften“, also der Phänologie der Vegetation durchgeführt werden.
Zuletzt gab Wägele noch Tipps, wie jeder zu besseren Lebensbedingungen für Insekten beitragen kann. Wichtig sind insbesondere die Essgewohnheiten. So sollte beim Einkauf auf regionale und biologische Produkte geachtet werden. Hobbygärtner sollten anstatt exotischer Pflanzen einheimische Gewächse anpflanzen, die für hiesige Insekten die Nahrungsgrundlage bilden. Besonders am Herzen lag Wägele die Einbindung von Kindern und Jugendlichen, da diese schnell für die Thematik sensibilisiert werden können und es letztendlich um deren Zukunft geht.
Dr. Stephan Seiler