Tierschutz zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Vortrag von Dr. med. vet. Alexander Rabitsch, Tierarzt und gerichtlich beeideter Sachverständiger für Veterinärwesen


Der Tierarzt und Sachverständige Dr. Alexander Rabitsch referierte im Rahmen der Vortragsreihe „Mensch und Schöpfung“ über Anspruch und Wirklichkeit im Tierschutz. Bei der anschließenden Diskussion mit Dr. Martin Armbruster, Referent für Erzeuger- und Marktfragen beim Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband e.V. (BLHV) und Dr. Thomas Dietrich, Abteilungs- und Sachgebietsleiter Sozialpastoral im Erzbischöflichen Ordinariat Freiburg, wurden die angesprochenen Themen weiter vertieft und mit dem Publikum lebhaft debattiert.

Tierschutz – Anspruch …

Dr. Alexander Rabitsch verfügt über langjährige Erfahrungen im praktischen Tierschutz. Als Facharzt für Kleintiere und Sachverständiger ist er für Tierschutzorganisationen und Nichtregierungsorganisationen tätig. Sein Weg führte ihn beispielsweise für Animals` Angels als tierärztlicher Gutachter für Tiertransporte nach Marokko, in die Türkei und nach Spanien. Rabitsch betonte zu Beginn seines Vortrags die Zweigleisigkeit im Umgang mit Tieren. So seien sie einerseits als Haustiere sehr geliebt, als „Nutztiere“ jedoch zumeist schlecht behandelt. Für eine Haltung im Sinne des Tierschutzes sind fünf Freiheiten für die Tiere unerlässlich: die Nahrung, die Freiheit von Krankheiten, ein angemessenes Lebensumfeld, die Freiheit von Schmerzen und das freie Ausleben normaler Verhaltensweisen.

… und Wirklichkeit

Tatsächlich ist das Lebensumfeld insbesondere von „Nutztieren“ oftmals alles andere als artgerecht, da teilweise das Wissen und die wirtschaftlichen Möglichkeiten für die tiergerechte Haltung fehlen. So leben viele Tiere aus wirtschaftlichen Gründen in engen Ställen, obwohl den Landwirten große Weideflächen zur Verfügung stehen. Schweine möchten für ihren Nachwuchs ein Nest bauen, doch fehlt dafür bei enger Haltung der Platz und das nötige Material wie ausreichend Stroh. Besonders schlimm ist das Leben für die Muttersauen in den Kastenställen, in denen sie sich nicht einmal umdrehen können.

Dr. Musella, Dr. Armbruster, Dr. Dietrich und Dr. Rabitsch

Fleischkonsum

90 % der deutschen Bevölkerung isst Fleisch und wünscht sich dafür einen möglichst billigen Preis. Hierin liegen die eigentlichen Gründe für die unzureichende, tierschutzwidrige Tierhaltung. Tiere werden dafür überzüchtet, billig ernährt und letztlich wird beim Schlachtvorgang gespart. Die Folgen davon sind neben dem großen Tierelend ein immenser Konsum von Wasser und Futtermittel und im weiteren Sinne ein bedeutender Beitrag zum CO2-Ausstoß, Zivilisationskrankheiten in Industrieländern und Hunger in Entwicklungsländern. Bei industriellen Schlachtungen mit Elektrobetäubung gibt es eine hohe Rate an Fehlbetäubungen. Eine besonders drastische Form von Tierquälerei passiert insbesondere bei allen mit CO2-Gas betäubten Schweinen: Jedes einzelne der solcherart betäubten Schlachtschweine – in Deutschland sind es zig Millionen – kämpft bis zu 1 Minute lang ums Überleben.

Hier spielen insbesondere wirtschaftliche Aspekte eine Rolle. Dies gilt auch bei den Transporten zur Schlachtung in Billiglohnländer und der Tötung überzähliger männlicher Spezies, deren Aufzucht nicht lohnt.

Lösungsmöglichkeiten

Gesetze und Verordnungen im Tierrecht müssen verschärft werden, doch kann dies nicht die alleinige Lösung sein. Kontrollen müssen ausgebaut werden. Noch wichtiger ist eine breite Diskussion in der Bevölkerung, in die auch die Landwirte eingebunden werden. Weiterhin bedarf es Aufklärungsarbeit insbesondere bei Jugendlichen, Empathie der Konsumenten den Tieren gegenüber und eine Subventionierung artgerechter Haltung.

Diskussion

Die Diskussion wurde von Dr. Angelika Musella mit einer Frage an Dr. Martin Armbruster in Sachen Tierschutz und Landwirtschaft eröffnet. Relevante Themen sind für den BLHV die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern sowie die wirtschaftliche Situation kleiner Höfe im Schwarzwald. Dr. Thomas Dietrich erörterte den Tierschutz aus theologischer Sichtweise und sagte, dass der Mensch nicht wie ein König über die Tiere herrschen darf, sondern wie ein guter Hirte seine Herde im Blick haben sollte. Die Erzdiözese Freiburg möchte bis 2030 die erste nachhaltige Diözese der Welt werden. Weitere Themen wurden vom Publikum, das sich rege an der Diskussion beteiligte, vorgetragen. Dazu gehörten die verschiedenen Möglichkeiten von Ferkelkastration und deren Auswirkungen auf die Tiere sowie das Verhalten der Konsumenten hinsichtlich des Fleischverzehrs. Miteinbezogen sollten Ökonomen und Ernährungswissenschaftler werden, die den Blick auf weitere wirtschaftliche und gesundheitliche Aspekte des Fleischkonsums lenken könnten. Einig waren sich alle Beteiligten, dass in Sachen Tierschutz, nachhaltiger Landwirtschaft und übermäßigem Konsum noch sehr viel Arbeit vor uns liegt.

Dr. Marianna Musella / Dr. Stephan Seiler

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