Umweltethik im Lichte des Koran – Perspektiven auf Theologie der Mitgeschöpflichkeit

Vortrag von Prof. Amaa El Maaroufi


Im Rahmen der Vortragsreihe Mensch und Schöpfung hielt Frau Professor Asmaa El Maaroufi von der Universität Münster einen Vortrag zu dem Thema Umweltethik im Lichte des Koran – Perspektiven auf eine Theologie der Mitgeschöpflichkeit. Ein verzaubernder Vortrag, der mit Noahs Arche und dem dort geschilderten Bericht über die erste Umweltkatastrophe begann, dann einen Ausblick in die literarische Welt der Suren und der Poetik des Korans gab und schließlich die monotheistischen Religionen in die Pflicht nahm in Hinblick auf die aktuellen Themen im Umweltschutz.

Im Rahmen der Vortragsreihe Mensch und Schöpfung hielt Frau Professor Asmaa El Maaroufi von der Universität Münster einen Vortrag zu dem Thema Umweltethik im Lichte des Koran – Perspektiven auf eine Theologie der Mitgeschöpflichkeit. Ein verzaubernder Vortrag, der mit Noahs Arche und dem dort geschilderten Bericht über die erste Umweltkatastrophe begann, dann einen Ausblick in die literarische Welt der Suren und der Poetik des Korans gab und schließlich die monotheistischen Religionen in die Pflicht nahm in Hinblick auf die aktuellen Themen im Umweltschutz.

I. Einstieg:

Noah baut auf Anraten Gottes eine Arche, mit Hilfe derer seine Familie und von jeder Tierart ein Paar das Überleben von Menschen und Tiere nach der Sintflut sichern soll. Diese Geschichte wird auch im Islam mit starken Bildern beschrieben. Menschen und Tiere erleben gemeinsam die Apokalypse, Verlust von Heimat aber auch die Rettung und das Finden einer neuen Heimat.

Noahs Kampf ums Überleben gibt Anlass zu zentralen Fragen über den Umgang mit Leben und Tod, die Entscheidung für das eine und dadurch auch gegen das andere Leben. Sie fordern dazu auf, darüber nachzudenken, wer ein Recht auf Überleben hat, und stellen die Frage, wie das einzelne Leben bewertet werden muss.

Haben Tiere und  Natur einen  Wert um  ihrer selbst willen (intrinsischer Selbstwert) oder zeigt sich ihr Wert nur  im Nutzen für den Menschen (instrumentaler Nutzwert)?

II. Zum Ausgangspunkt:

Was bedeutet Umweltethik? Es geht um die systematische Beschäftigung mit Fragen eines auf bestimmte Weise qualifizierten (verantwortlichen, guten, tugendhaften, gerechten) Menschen im Umgang mit den verschiedenen Daseinsformen der Natur (d.h. natürlichen Entitäten wie etwa Tieren, Pflanzen oder Bergen).

Hier können konstitutive Fragen helfen:

• Welchen Wert können bestimmte natürliche Entitäten aufweisen?

• Sind diese Werte ausschließlich für den Menschen wertvoll oder auch unabhängig vom Menschen?

Schließlich geht es um die Frage, welche Position der Mensch in Beziehung zu Gott und zu der Natur einnimmt. Ist er wirklich die „Krone der Schöpfung“, der allein in den Dialog mit Gott treten kann oder ist er nicht vielmehr Teil der übrigen Natur, Teil der Schöpfung, die Gott als Ganzes gegenübertritt.

III. Umweltethik – Diskurs im muslimischen Kontext

Im muslimischen Kontext gibt es bisher keine systematisch erschlossene Umweltethik, aber bereits seit den 70er Jahren haben sich einzelne, große Denker Gedanken zur menschlichen Ausbeutung der Natur gemacht. Ein früher, erster Vorreiter war Seyyed Hossein Nasr, iranischer Professor für Islamwissenschaft. Er und viele andere Vorreiter beziehen sich auf Ankerpunkte im Koran, aus der Tradition der Propheten und der Mystik- sowie der fiqh-Tradition des 7. – 13. Jahrhunderts. Sie kritisieren den unkritischen Anthropozentrismus, der immer noch von der besonderen, herausragenden Stellung des Menschen in Bezug auf Gott und die Natur ausgeht.  Der Mensch sollte stattdessen wieder seinen Platz innerhalb der Tier- und Pflanzenwelt finden und einnehmen und zusammen mit allen Geschöpfen Gott loben.

Die Suren bezeugen, dass jedes noch so kleine Geschöpf seinen Platz und seine Daseinsberechtigung hat und keineswegs allein zum Nutzen des Menschen erschaffen wurde. So wird beispielsweise in Sure 17:44 davon erzählt, dass alle Bewohner Gott preisen und es nichts gibt, was ihn nicht preist, leider aber oftmals der Mensch nicht die Sprache und Stimmen der anderen Lebewesen richtig versteht. Wer sie und damit die ganze Ordnung der Schöpfung versteht, hat Verstand (Koran, 3: 190-191). Ein sichtbares Zeichen bzw. Emblem (arab. āyāt) Gottes ist daher auch alles Lebendige auf Erden und nicht nur die Texte und das Wort im Koran (ebenfalls arab. Āyā). Alles Sichtbare trägt das Zeichen Gottes. Das Verständnis für seine Mitgeschöpfe ist ein zentraler Zugang des Menschen zu Gott.

Nimmt man dies ernst, muss auf eine Anthropo-Dezentrierung hingearbeitet werden, in der sich die Perspektive des Menschen auf sich selbst ändert.  Daraus kann dann ein besserer Umgang mit seinen Mitgeschöpfen wachsen.

IV. Rolle der Religion im Umweltschutz

Dass die Religion praktisch und konkret etwas zum Umweltschutz beitragen kann, zeigt ein Beispiel einer religiösen Gemeinde in einer Grenzstadt in Jordanien. Die Knappheit des Wassers gehört dort zum Alltag und die Menschen haben gelernt, damit  umzugehen.

So wird Wasser, welches für rituelle Waschungen vor dem Gebet benötigt wird, in einer Zisterne aufgefangen und für die Bewässerung einer Grünfläche um die Mosche herum verwendet. Dies bietet wiederum anderen Tieren Schutz vor der Sonne und Hitze.

Darüber hinaus gibt es regelmäßig eine sog. „grüne“ Predigt, in der über den richtigen Umgang mit dem begrenzten Gut Wasser und weiterer natürlicher Ressourcen gesprochen wird.

Ein weiterer Schritt ist die Ausbildung insbesondere von Frauen, die im religiösen Kontext zu Fragen des Umgangs mit Wasser ausgebildet werden und ihr Wissen dann in Schulen und Familien weitergeben.

So gibt es auch zum Beispiel eine große Solaranlage auf der grünen Moschee in Marrakesch.

Diese Beispiele zeigen nur zu gut, dass nicht immer der europäische Westen Vorreiter im Zusammenhang ökologischer Krisen sein muss, sondern der Umweltschutz gerade in Ländern, in denen aufgrund von akuten Ressourcenmangel, schon längst schon zum Alltag gehört – ohne dass er zwingend als solcher begriffstechnich kenntlich wird. Die Religion kann hier gute Dienste leisten, in dem sie einerseits Wissen und Sensibilität für die Probleme in die Gesellschaft trägt, andererseits aktuelle Fragen aus der Gesellschaft aufnimmt und zum Thema für alle macht.

Fazit:

Die Religionsgemeinschaften können etwas dazu beitragen, dass der Mensch sorgsamer mit der Natur und seinen Mitgeschöpfen umgeht, ein erster Schritt dahin wäre, in theologischer Sicht, den Menschen auf seinen „Platz“ zu verweisen und eine Alternative zu dem anthtopozentrischen Weltbild zu schaffen. Dies ist eine spannende, vielversprechende Aufgabe, die aber viel Zeit und Geduld erfordert und an der alle, denen es wichtig ist, mitarbeiten können.

Denn „Die Umwelt zu zerstören heißt, den Geschöpfen die Grundlage für den Geschmack Gottes zu nehmen.“ (Ahmad Milad Karimi).

Dr. Marianna Musella   

Aufzeichnung des Vortrages in der Katholischen Akademie

Mitmachen stärkt uns

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner