Das Schweigen der Wälder und Felder

Unsere Vogelwelt im Wandel – droht ein richtig stummer Frühling?

Vortrag von Dr. Daniel Lingenhöhl (Heidelberg)


Der Vortrag von Dr. Daniel Lingenhöhl, Leiter der Online-Redaktion des Magazins Spektrum der Wissenschaft am 22. Januar 2018 war eine Gemeinschaftsveranstaltung der Kath. Akademie Freiburg und der Musella-Stiftung. Der Vortrag stand unter dem Focus-Thema Verunsicherung. Thema war die heimische Vogelwelt und deren Wandel.

Droht ein stummer Frühling?

Die Aussicht, möglicherweise einen ‚stummen‘ Frühling ohne das Singen, Schmettern und Trällern der heimischen Vögel in unseren Gärten, Wäldern und städtischen Parks erleben zu müssen, erscheint tatsächlich nur schwer vorstellbar. Unverzichtbar für uns Menschen sind ihr Gesang, ihre Farbenpracht sowie ihr wichtiger Beitrag als Insekten- und Aasfresser. Von der Hand zu weisen sind diese Befürchtungen jedoch keineswegs, haben sich doch bereits unzählige Vogelarten zurückgezogen bzw. sind vom Aussterben bedroht. In seinem Vortrag lieferte Dr. Lingenhöhl dramatische Zahlen wissenschaftlicher Studien aus verschiedenen europäischen Ländern: ca. 12 Millionen Brutpaare sind in Deutschland schon unwiederbringlich verschwunden, in ganz Westeuropa übertrifft die Zahl 100 Millionen Paare. Betroffen sind insbesondere die Bodenbrüter, wie die Feldlerche oder das Rebhuhn, die Goldammer und mehrere Schwalbenarten.

Ursachenforschung: wer oder was ist schuld am Artensterben?

Grund hierfür sind – wie so oft – multiple Faktoren, die Lingenhöhl in seinem Vortrag anschaulich aufzählt.

1. Intensivierung und Modernisierung der Landwirtschaft

Zum einen ist in der Landwirtschaft in den letzten Jahrzehnten eine deutlichere Intensivierung und Industrialisierung zu beobachten. Hecken und Brachflächen wurden aufgegeben, um noch mehr Erträge erwirtschaften zu können. Neben der Veränderung der Landschaft kommen immer mehr Pestizide zum Einsatz. Streuobstwiesen und Wildkräuterwiesen verschwinden zugunsten von Monokulturanbau, wie etwa Mais. Durch ständige Bewirtschaftung werden die Böden ausgelaugt und bieten weder für Insekten noch für Vögel noch für andere Tiere einen adäquaten Lebensraum.

2. Windkraft im Wald

Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem stellt die Umstellung auf die erneuerbaren Energien in Form von Windkraft dar. Immer öfter werden Standorte im Wald oder an dessen Rändern gewählt. Tatsächlich stellt dies eine ernste Bedrohung nicht nur für Fledermäuse, sondern auch für den Rotmilan dar, wenn er auf der Suche nach Beute den Boden absucht. Oftmals werden die Vögel auch einfach in ihrer Umgebung gestört oder vertrieben und verlassen aufgrund dessen ihre Horste.

3. Vogeljagd

Entgegen westeuropäischer Wertevorstellungen landen dennoch in einigen EU-Mitgliedsstaaten noch immer Vögel verschiedener Arten auf dem Teller. Insbesondere auf Malta und in Italien wird „auf alles geschossen, was am Himmel fliegt“, so der Referent. Besonders grausam sind die so genannten Klebe- oder Leimfallen, wodurch die sich auf Ästen oder Masten ausruhenden Vögel einen qualvollen Tod sterben. Zwar ist das Vogelschießen vielerorts strengstens untersagt, zu geringe Strafen für solche „Kavaliersdelikte“ schrecken aber nicht ausreichend ab. Hier gibt es definitiv noch einiges für Brüssel zu tun!

Doch auch in Deutschland selbst gibt es immer noch die (illegale) Praxis, insbesondere Greifvögel vom Himmel zu schießen oder zu vergiften, weil man beispielsweise den „Hühnerhabicht“ als Konkurrenz empfindet. Dieser – so Lingenhöhl – stellt jedoch keine Gefahr dar, weil es ihn ohnehin nur selten gibt. Vorschläge, wie etwa in einigen Gebieten mit Binnengewässern den Kormoran zum Abschuss freizugeben, muten befremdlich an. Zwar gehört der Kormoran zu den sich erstaunlich gut erholenden Arten, das Abschießen oder Vergiften stellt aber eine archaische sowie ‚unmenschliche‘ Praxis dar, solche – eigentlich ‚menschgengemachten‘ Probleme zu lösen. In vielen Fällen kann schon nach kurzer Zeit ein Gleichgewicht von freilebendem Fischbestand und Kormoranen beobachtet werden.

4. Jäger auf „Samtpfoten“

Für viele ein neuralgischer Punkt, den Lingenhöhl aber dennoch anspricht: die Hauskatze stellt eine ernste Gefahr für den Vogelbestand dar. Beobachtungen zeigen, dass die wohlgenährten Samtpfoten ihren Jagdinstinkt gegenüber Vögeln weiterhin ausleben. Das endet für so manchen Piepmatz tödlich. Zwar könnte man auch hier von einem „natürlichen Feind“ sprechen, dennoch hat der Mensch auch in diesem Punkt schon lange Zeit seine Hand im Spiel: längst gibt es immer mehr Katzen, die schon lange nicht mehr ums Überleben kämpfen müssen. Wichtig wäre, so Lingenhöhl, eine allgemeine Pflicht zur Kastration, um der starken Vermehrung entgegen zu wirken.

In der Diskussion…

Außerdem gibt es eine kreative, scheinbar einfache Lösung für das Jagdproblem: ein buntes, für Katzen gut verträgliches Halsband aus den USA, ähnlich einer weichen Halskrause, entwickelt speziell von einer Katzenkennerin. Trägt die Katze solch ein Halsband, ist sie für die meisten Vögel weithin sichtbar. Die andere Möglichkeit, die Katze nur noch in der Wohnung zu halten, wird von eingefleischten Freigängern meist nicht akzeptiert. Hier müsste eine Gewöhnung von klein auf erfolgen.

Errungenschaften des Naturschutzes

Der Referent möchte aber auch auf die bis dato erzielten Errungenschaften des nationalen und internationalen Naturschutzes in Sachen Vögel hinweisen. Bei einigen Vogelarten gibt es bei der Wiederansiedlung Erfolge zu verzeichnen: Dies betrifft insbesondere Greifvögel, wie etwa den Fischadler sowie zahlreiche Wasservögel. Selbst der Bienenfresser breitet sich am Kaiserstuhl wieder aus. Störche sind längst keine Besonderheit mehr.

Ausblick: Was kann man tun?

Thuja, sondern heimische Büsche und Gehölze sollten angepflanzt werden. Nicht nur die Vögel, sondern auch Igel und andere freundliche Tier-Bewohner sind dankbar über ein paar verwilderte Ecken mit etwas Laub vom Vorjahr. Um zu verhindern, dass einzelne Vögel gegen Fensterscheiben fliegen, sollte man – anstatt der bekannten schwarzen Silhouetten – weiße Aufkleber verwenden oder einfach mal die Vorhänge zuziehen.

Tatsächlich lässt es sich unterm Strich auf einen Nenner bringen: der Mensch muss endlich Verantwortung für seine Mitgeschöpfe übernehmen. Dann wird er sich auch weiterhin am Gesang und Flug dieser wunderbaren Tiere erfreuen können.

Dr. Stephan Seiler

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