Welttierschutztag – von Labortieren und Franz von Assisi

Am 4. Oktober, dem Welttierschutztag, liegt die Aufmerksamkeit auf dem Wohlergehen von Tieren. Es ist ein Tag, an dem wir darüber nachdenken, wie wir mehr Gutes für unsere Tiere tun können. Viele werden hier an die sogenannten Nutztiere in der Landwirtschaft denken, also beispielsweise Schweine und Rinder. Zeigte doch eine Studie der State University of New Jersey 2018 (The biomass distribution on Earth | PNAS), dass die Biomasse von domestizierten Rindern und Schweinen die Biomasse von allen wildlebenden Säugetieren um mehr als den Faktor 10 übertrifft. Eine erschreckende Zahl und sicher einer der Gründe, weshalb viele Menschen eine Kehrtwende in unserer Ernährung fordern. Ob neue Methoden wie im Labor gezüchtetes Fleisch eine Verbesserung versprechen?

In Laboren wird jedoch nicht nur an Kunstfleisch geforscht. In zahlreichen Experimenten sind Tierversuche immer noch an der Tagesordnung und liefern für die wissenschaftliche/medizinische Forschung einen wichtigen Beitrag. Laut Bundesinstitut für Risikoforschung wurden 2021 rund 1,9 Millionen Versuchstiere in Deutschland eingesetzt. Es sind meist Mäuse, Fische, Ratten, Kaninchen und Vögel. Der Großteil der Tiere wurde dabei einer leichten Belastung ausgesetzt (63%). Bei 6 % konnte die Lebendfunktion nicht wiederhergestellt werden (Die Belastung von Versuchstieren in der Forschung (tierversuche-verstehen.de)). Allerdings ist es schwierig Belastungsreaktionen wie Leid oder Angst messen und quantifizieren zu können. Dies gilt bereits für Säugetiere und wird noch schwieriger bei Lebewesen wie Tintenfischen. Die meisten Tiere (60 %) werden im Bereich der Grundlagenforschung eingesetzt. Wissenschaftler*innen, die mit Tieren arbeiten, müssen sich an das Tierschutzgesetz (TierSchG – Tierschutzgesetz (gesetze-im-internet.de)) und die Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV – Verordnung zum Schutz von zu Versuchszwecken oder zu anderen wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Tieren (gesetze-im-internet.de)) halten. Als Grundsatz formuliert das Tierschutzgesetz: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. Entsprechend fordert die Verordnung das 3R-Prinzip: Replacement (Vermeidung), Reduction (Verminderung) und Refinement (Verbesserung).

Viele Forscher*innen sind an der Entwicklung von alternativen Methoden (Replacement/Vermeidung) beteiligt und versuchen so, die Verantwortung für Tiere ernst zu nehmen. Die Ergebnisse dieser Forschung überzeugen auch die regulatorischen Behörden. So berichtet im Juni 2023 die Zeitschrift „Nature“ davon, dass die amerikanische Zulassungsbehörde FDA die Anforderungen für Medikamente, was vorklinische Tests angeht, lockern will. Hier waren in der Vergangenheit Tierversuche vorgeschrieben, um die Sicherheit der Menschen in folgenden Studienphasen zu gewährleisten. Den Tierversuchen steht jetzt jedoch eine Fülle an alternativen Methoden gegenüber. So können z. B. sogenannte Organoide, im Labor erzeugte organähnliche Mikrostrukturen, oder spezielle Gewebechips sowie Computer-Simulationen für die Forschung verwendet werden. Entsprechend hat die FDA das Wort „animal/Tier“ durch den Begriff „non-clinical/nicht-klinisch“ ersetzt und somit den Weg für eine tierversuchsfreie Arzneimitteltestung möglich gemacht. Auch Forscher*innen aus Deutschland sind an der Entwicklung dieser neuen Alternativen beteiligt. So berichtete der SWR am 7. Mai davon, „wie die Hochschule Kaiserslautern Tierversuche unnötig machen will“ (Hochschule Kaiserslautern gegen Tierversuche in der Medizin – SWR Aktuell). Auch in Tübingen erforscht man laut „Spektrum der Wissenschaft“ alternative Systeme (Kultur statt Kaninchen: Mit Stammzellen Tierversuche ersetzen – Spektrum der Wissenschaft).

Ein weiterer Aspekt, der nur indirekt mit dem Tierschutz zu tun hat, soll hier nicht unerwähnt bleiben: Das Wohlbefinden derjenigen Menschen, die sich tagtäglich um die Tiere kümmern müssen. Das Fachjournal „Science“ veröffentlichte im März 2023 einen Artikel, in dem es um das Leid genau dieser Menschen geht (Suffering in silence: Caring for research animals can take a severe mental toll | Science | AAAS). Es wird von Depression, Mitgefühlsmüdigkeit und Angstzuständen berichtet, die als Folge mit der Arbeit an Labortieren einhergehen kann. Die gefühlte Dichotomie, dass Labortiere einerseits wichtig für die klinische Forschung sind, und andererseits dem Umstand, dass man den Tieren hierfür Leid zufügen muss, ist für viele Tierpfleger kaum auszuhalten, ein Jobwechsel die häufige Folge.

Allerdings begrüßen nicht alle Forschenden die Zeitenwende bei Tierversuchen, und viele befürchten, dass die neuen Methoden zunächst mit vielen Unsicherheiten verbunden seien und somit die Sicherheit der Patient*innen in klinischen Studien gefährden können. An eine absolute Substitution der Labortierexperimente glauben die wenigsten Forschenden.

Für bestimmte Verfahren, wie die der Xenotransplantationen, beschränkt sich die Rolle der Tiere nicht nur auf Experimente, die Tiere werden selbst zum Lieferanten von Organen, die Menschen implantiert werden. So berichtete die „MIT Technology Review“ im Juli 2023 von einer Firma, die Schweineherzen in Kinder mit schweren angeborenen Herzfehlern transplantieren will. Als Zwischenschritt werden hier Versuche mit Pavianen durchgeführt (This company plans to transplant gene-edited pig hearts into babies next year | MIT Technology Review).

Dass der Welttierschutztag am 4. Oktober zugleich der Namenstag von Franz/Franziskus ist, ist kein Zufall: Franz von Assisi, der am Abend des 3. Oktober 1226 gestorben ist (nach damaligem römisch-antikem Verständnis zählte die Zeit nach Sonnenuntergang bereits zum nachfolgenden Tag), gilt als Schutzpatron der Tiere. Er vertrat damals schon die Meinung, dass alle Lebewesen, also Menschen, Tiere und Pflanzen, wertgeschätzt und geschützt werden sollten. Doch was würde dies für unsere Ernährung bedeuten oder den Umgang mit Schädlingen? Eine derzeit kontrovers diskutierte, aber durchaus moderne und bedenkenswerte Einstellung, nicht nur am 4. Oktober!

Der Original-Beitrag von Dr. Rebecca Albert wurde am 4. Oktober 2023 auf der Webseite der Katholischen Akademie Freiburg veröffentlicht.

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