Musella Stiftung

Hundeglück ist Menschenglück die zauberhafte Geschichte von Limon

Vor knapp neun Jahren zog ich aus familiären Gründen mit meinen damals schon etwas älteren zwei mittelgroßen Hunden nach Süddeutschland. Das Rudel bestand neben meiner Person aus Cara (Bulgarien) 17 Jahre, und Sina (Rumänien) 12 Jahre. Ein halbes Jahr nach dem Umzug verstarb Sina und ein halbes Jahr später kam Nelson, ein verspielter Rüde dazu, ein Tierschutzhund aus Portugal dazu. Zu der Zeit war ich noch voll berufstätig, konnte glücklicherweise im Home office arbeiten.
In dieser Situation erreichte mich ein Anruf, ob ich mich einer sehr armen etwa anderthalbjährigen  Hündin namens Limon aus der Türkei annehmen könne, sie habe ein so grausames Schicksal hinter sich und man könne ihren Hinterlauf dort nicht erfolgreich behandeln, das sollte man in Deutschland versuchen. Selbst wenn eine Heilung nur bedingt erfolgreich sein könnte, hätte sie doch auf diese Weise zumindest noch einige lebenswerten Wochen und vielleicht sogar Monate voller Liebe und Zuwendung verdient. Ein
Eine engagierte türkische Tierschützerin hatte die junge Hündin in einem berüchtigten Park nahe Istanbul gesehen, wie sie, in der Ecke sitzend und offensichtlich immobil, sich nur mit den Vorderpfoten gegen andere Hunde versuchte zu wehren. Zur Erläuterung, in der Türkei gibt es zahlreiche von Autos angefahrene Hunde neben den Straßen, die eingesammelt und in ein eingezäuntes Gelände gebracht werden. Dies unabhängig davon, dass Tiere schwer verletzt sind und Schmerzen leiden, diese Tiere werden in einem solchen Fall nicht wie bei uns entsprechend unserer veterinärmedizinischen Ethik entsprechend behandelt oder erlöst, sprich euthanasiert, sondern werden wie verletzt und leidend sie auch immer sein mögen, in den Park gebracht und sich selbst überlassen.

Das Video zeigte eine zauberhafte Hündin, der ich gerne geholfen hätte, doch in meiner Situation war mir ein dritter Hund zu viel und ich sagte ab. Nachdem ein anderer Vermittlungsversuch kurzfristig scheiterte, die Hündin jedoch bereits auf dem Weg nach Deutschland war, habe ich mich entschlossen, in Anbetracht des Schicksals dieser jungen Hündin und ihrer so kurzen Lebenserwartung, ihr zumindest noch ein paar Wochen liebevolle Pflege in meinem kleinen Rudel und in meinem Garten zu gönnen. Auch Scham spielt bei mir eine Rolle, Scham, wie grausam Menschen mit Tieren umgehen, und der Wunsch, zumindest an einzelnen Tieren etwas von dieser Brutalität wieder gut zu machen. Es ist nicht die ganze Welt, die wir retten können, doch für ein gerettetes Tier ist es die ganze Welt. So kam Limon nach erheblichen organisatorischen Klimmzügen und glücklichen Fügungen dazu dann doch als Notfall zu mir.

An einem Montag Abend im Juli 2015 war es soweit, Limon kam in der Transportbox an. Als Empfangskomitee standen neben meiner Person meine beiden Hunde bereit sowie Sabine, unsere Hundesitterin. Da war sie nun, die kleine Limon mit einem dicken Verband am Hinterlauf und wußte nicht so recht wohin mit sich, konnte gerade mal einen Schritt gehen, um sich danach wieder hinsetzen zu müssen – und sie zog eine deutliche Urinspur hinter sich her. Überraschung. Sie wurde zunächst von meinen beiden Hunden argwöhnisch und aus größtmöglicher Distanz beschnuppert. Cara war zurückhaltend aber nicht unfreundlich, gelassen halt wie es alte Hund sind, Nelson hat sich gefreut, eine potenzielle Spielkameradin zu begrüßen, wurde jedoch von Limon zurückgewiesen. Sie musste erst einmal zur Ruhe kommen. Sie fraß tüchtig – ein Golden Retriever-Mischling eben – und fiel dann in einen komatösen Schlaf in ihrem neuen Körbchen. Limon war da.

Gleich am Tag nach ihrer Ankunft hatte ich einen Termin bei einer auf Auslandshunde spezialisierten und erfahrenen Tierärztin, leider eine Stunde Fahrtzeit entfernt. Da eine aufwändige tierärztliche Behandlung von mir ‚nebenbei‘ damals nicht zu leisten war, wurde ich dankenswerterweise von der Stiftung Dr. Musella und einem regionalen Tierschutzverein unterstützt mit einer Kostenzusage, falls die Tierarztkosten höher ausfielen. Dafür war ich sehr dankbar.

Die Tierärztin schüttelte bedenklich den Kopf, als sie die zermatschte Pfote sah und meinte, eine Amputation sei unvermeidbar. Sie werde davor jedoch geröntgt und intensiv untersucht. So blieb Limon über Nacht in der Tierklinik.

Am nächsten Morgen erreichte mich die ungute Nachricht, dass die Röntgenbilder zeigten, dass Limons Wirbelsäule gebrochen ist, zwischen dem drittletzten und dem vorletzten Wirbel gibt es keine Verbindung, sondern eine Stufe. Daher rührte auch die Lähmung und die Inkontinenz. Zitat Tierärztin: „Angesichts des Röntgenbilds kommt man nicht auf die Idee, dass dieser Hund noch am Leben ist“.  An eine Amputation war unter diesen Umständen natürlich nicht zu denken, und gemäß der  Röntgenaufnahme war lediglich noch der Mittelknochen der linken Hinterpfote unversehrt. Der Laborbefund ergab des weiteren, dass Limon zwar erfreulicherweise keine Mittelmeerkrankheiten hatte, dafür resistenten Keime. Und zu allem Übel hatte sie im gesamten Hinterlauf bis oben zur Hüfte eine schwere Knochenentzündung, sie muss furchtbare Schmerzen gehabt haben.

Die Tierärztin fragte mich, ob ich wisse, was ich mir damit antue, diesen auf Dauer gehbehinderten und auf Dauer inkontinenten Hund als Pflegefall aufzunehmen, wobei sie sich nicht sicher war, ob Limon noch lange leben würde. Der Hund hat sich mir anvertraut, also stehe ich in der Verantwortung, ich nahm die Herausforderung an. Schließlich, was wäre die Alternative gewesen, ein inkontinenter junger verkrüppelter Hund ist nicht vermittelbar. Außerdem hatte ich schon mein Herz an die Hündin Limon verloren.

Unter fachlicher Anleitung der Tierärztin lernte ich, die Wunde zu versorgen und einen sterilen Verband anzulegen. Wichtig neben der Wundheilung war eine breite Polsterung des unteren Hinterlaufs und der verkrüppelten Pfote, damit sie ihr Gewicht (28 kg) möglichst auf alle vier Hinterläufe verteilen konnte. Limon erhielt ein starkes Breitbandantibiotikum und eine Infusion. Danach ging es, versorgt mit Verbandsmaterial nachhause.

Seit diesem Tag herrscht in unserem Haushalt strikte Hygiene. Handtücher, Windeln, Hundedecken und eine fast durchgehend laufende Waschmaschine bestimmen bis heute unseren Alltag und ein Hauch von Tierklinik umweht uns angesichts der Salben, Tinkturen, Sprays, Spezialshampoons, Tupfer, Elastischen Verbänden, Damenbinden, Desinfektionsmitteln, Schermaschinen etc.

Mit Limon zog ein liebenswerter wie auch intelligenter und charakterstarker Hund im Rudel ein, die Zugewandtheit bezog sich jedoch vor allem auf mich und später dann auch auf die Hundesitterin. Limon hörte von Anfang an erstaunlich gut, sie begriff sofort, was ich von ihr wollte, mit den beiden anderen Hunden hat sie sich arrangiert.   

Um mit allen Dreien Gassi gehen zu können, wurde rasch ein Hundebuggy angeschafft, und so gab es Gassis mit zwei Hunden an der Leine und Limon im Buggy, in dem sie wie eine Prinzessin thronte. Allerdings tobt sie fürchterlich, wenn ein Hund oder eine Katze, eine Kuh, ein Pferd oder ein Fahrrad – oder gar ein Motorrad – in Sicht waren. Das gleiche spielt sich im Auto ab.  Ansonsten ist sie zwar gewitzt doch sanft wie ein Lamm.  Die zweite Anschaffung waren Hundewindeln aus Stoff.

Die erste Überraschung nach ein paar Tagen ihrer Ankunft: sie versuchte, zu gehen, kam mir morgens mit ein paar Schritten entgegen. Danach die zweite Überraschung ein paar Wochen später, sie versuchte, mit der Rute zu wedeln, wenn sie mich sah. Nächster Schritt, sie konnte sich im Gras wälzen und grunzte vor Vergnügen. Ihr Fell begann zu wachsen und sie machte enorm schnell Fortschritte. Sie konnte immer besser laufen und wir konnten sogar den Buggy weggelassen, sie genoss es, über die Wiese zu rennen, wurde sehr schnell, jagte Katzen und stöberte mit großer Geschicklichkeit Mäuse auf. Sie war nicht nur im Kopf sondern auch beim Laufen unwahrscheinlich schnell.

Limon wandelte sich zusehends in eine hübsche junge Retrieverdame, mit Windeln zwar und etwas unorthodoxem Hoppelgang, liebte es, im Garten sein zu können und genoss sichtlich, ein Zuhause zu haben. Als Cara zwei Jahre nach Limons Einzug mit knapp 19 Jahren verstarb, übernahm Limon deren Rolle und wurde immer selbstbewusster. Mit Nelson begann sie nach Caras Tod intensiv zu spielen. Gleichzeitig war und ist sie sehr anhänglich und hält sich bis heute meist in meiner Nähe auf.
Sie hat inzwischen ein schönes dichtes Fell, allerdings hat sie einen mächtigen Oberkörper, da sie sich ziehen muss, hinten ist sie eher normal bis schmal, ähnlich einer rollstuhlfahrenden Person.

Tatsächlich wird Limon in diesem Jahr wohl zehn Jahre alt, wer hätte das gedacht. Allerdings kann sie nicht mehr wie früher lange Wege zurücklegen, doch die Ausflüge mit ihrem Buggy liebt sie über alles, im Haus liegt sie nachts vor der Haustüre, tagsüber im Sommer gerne davor im Hof und ist ein hervorragender Wachhund.

Im vergangenen Jahr 2022 ging es mit Limon immer mehr bergab, sie konnte und wollte immer weniger Gehen. Aufgrund ihrer unnatürlichen Fortbewegungsart – oft im Hoppelgang – war Arthrose absehbar. Limon wurde immer apathischer, kam schwer aus dem Korb und konnte nur noch kurze Strecken bewältigen, schließlich konnte sie gar nicht mehr gehen. Es gelang mit Hilfe der Expertin  erneut, Limon nochmal aufzugepäppeln. Sie bekam alle zwei Tage Infusionen für drei Wochen, und bei Bedarf bekommt sie Schmerztabletten.
Damit sie weiterhin Bewegung hat, schaffte ich einen Rollwagen für sie an, dieser stützt den Beckenbereich und kann so eingestellt werden, dass sie den Boden berührt und Becken und Hinterläufe in Bewegung bleiben. Nach einer Eingewöhnungszeit hat sie den Rollwagen gut angenommen, allerdings, das ist Limon, nur für ihre Lieblingsstrecke.
Dann trat plötzlich Blut im Urin auf. Die Blasenmuskulatur ist mangels Funktion verkümmert, die Blase ist sehr klein und daher anfällig. Mit Harnsteinen muss man in solchen Fällen rechnen. Also erneut Antibiotika und Infusionen zur Stärkung der Abwehrkräfte. Doch Limon ist unverwüstlich und inzwischen geht sie wieder ohne Hilfsmittel wie Buggy und Rollwagen Gassi, allerdings kurze Strecken. Der Buggy ist nach wie vor heiß begehrt. Mit dem „Rolli“ kann sie ihre Lieblingstour zumindest zur Hälfte wieder gehen.
Trotz all der Einschränkungen spielt Limon mit Nelson, genießt den Garten, ist eine glückliche und zufriedene Hündin, zeigt täglich ihre Dankbarkeit und Lebensfreude, das ist sehr beglückend und so werden wir drei gemeinsam alt und älter.

So intensiv die Pflege dieser Hündin ist, ich möchte sie keinen Tag missen, beide Hunde gehören zu meinem Leben und ich hoffe, sie können noch eine Weile auf dieser Erde sein. Dank der Dr. Musella Stiftung und der Tierärztin kann Limon ein fast ganz normales Hundeleben führen, und das nun schon überraschend lange, ganze acht Jahre.

Sie wird von beiden Tierärzten immer noch als „das Wunder von Wohmbrechts“ bezeichnet und – sie haben Recht.

Hundeglück ist Menschenglück.

(Im Kasten)

Praktische Hinweise für ein Leben mit einem inkontinenten Hund im Haushalt

Umgebung

  • möglichst pflegeleichter Bodenbelag in der Wohnung
  • pflegeleichte Körbchen (waschbar oder aus Plastik) mit waschbaren Einlagen und Nässeschutzauflagen
  • Fliegenschutz Vorrichtungen (Fliegen werden von Urin- und Kotgeruch angezogen) für möglichst viele Fenster und Türen
  • Balkon, Terrasse oder Garten sollten vorhanden sein
  • Zu beachten ist, dass selbst bei guter Pflege eines inkontinenten Hundes zumindest zeitweise eine Geruchsbelästigung einhergeht. Man selbst nimmt diesen Geruch mit der Zeit deutlich weniger wahr, doch Besucher können teilweise unangenehm berührt sein.  Am besten hält man im Eingangsbereich einen intensiven Raumduft aus Naturstoffen bereit, frische Düfte wie Verveine oder Zitrus, häufiges Lüften ist unumgänglich
  • Eine begehbare Dusche erleichtert die Hygiene  

Tierpflege

  • tägliches Waschen des hinteren Bereiches mit einem speziellen Shampoon, z.B. Clorexyderm, das man auch einwirken lassen sollte, danach trocknen und mit einer Lebertran Zinksalbe den Bereich After und Scheide eincremen, bevor die frische Windel angelegt wird
  • Der Bereich um After und Scheide sollte unbedingt haarlos sein, d.h. der Hund muss an dieser Stelle geschoren werden. Es gibt spezielle Schermaschinen, die auch Tierärzte benutzen, womit sehr feines vibrationsarmes Scheren möglich ist (z.B. isis von Aesculap)
  • Nachts sollte Luft an den hinteren Bereich des Hundes kommen, daher keine Windel nachts. Es gibt gute Nässeschutzdecken z.B. auch für Babies gedacht aus Moltopren
  • Die Blase sollte mindestens einmal täglich ausdrückt werden, das ist nicht so einfach, am besten vom Tierarzt/Tierärztin zeigen lassen, es erfordert Übung
  • Als Windel nehme ich waschbare Stoffwindeln für Hunde und nehme als Einlage zwei Damenbinden
  • Auf Reisen oder manchmal zuhause, da angenehmer für den Hund, kann man auch Einmal Windelhöschen für Menschen nehmen, dazu muss ein Loch für die Rute geschnitten werden, allerdings löst sich durch Nässe die Füllung der Papierwindel nach und nach und man hat viele Papierbrösel auf dem Boden und im Körbchen, es ist vor allem angebracht, wenn der Hund sich nicht viel bewegt und im Körbchen schläft – allerdings nicht auch noch Nachts, s.o.
  • Gegen Fliegen kann man auch ein sanftes pflanzliches Insektenabwehrmittel zur äußerlichen Anwendung für Babies verwenden, vorsichtig auf das Fell sprühen. Ansonsten, wenn der Hund im Freien liegt, hilft auch, ein größeres Duschtuch über den hinteren Rumpf und die Hinterläufe zu legen

Ernährung

  • Leichte Kost ist empfehlenswert  

Praktische Hinweise für einen gehbehinderten Hund im Haushalt

Pflege der Pfote

  • die verkrüppelte Pfote wie bei meiner Hündin sollte täglich neu, jedenfalls vor dem Gassigang verbunden d.h. vor allem gut gepolstert werden, damit sich das Gewicht verteilt. Auch hier eigenen sich lange Damenbinden als kostengünstige Variante sehr gut. Mit einem elastischen Verband wird die Damenbinde in L Form um Pfote und Hinterlauf gewickelt, so dass der Hund guten Halt hat.  Der Verband sollte nicht zu fest sitzen, doch so fest, dass der Hund sich damit gut bewegen kann. Ich polstere mit großen Wattepads auch die Innenseite des Gelenks, denn hier entsteht eine große Spannung und diese Stelle scheuert sich leicht wund. Zum Gassi gehen schiebe ich über den verbundenen Hinterlauf einen Gummischutzstiefel, das polstert noch ein bisschen mehr und durch die strukturierte Unterseite hat der Hund mehr Halt. 

Mobilität

  • Hilfsmittel Hundebuggy, wir nutzen den großen Hundebuggy der Fa. Petstro. Der Buggy ist zusammenklappbar und der Stoff waschbar. Den Rollwagen haben wir bei der Fa. Rolling Dogs erworben und sind sehr zufrieden damit. Mit beiden Hilfsmitteln kann man für sich und für den Hund den Aktionsradius erheblich erweitern. Beide Wagen sind gut im Auto zu transportieren, wobei der Buggy etwas schwerer und sperriger ist. Den Buggy gibt es auch für große Hunde und als Anhänger für Fahrräder. Der Rollwagen passt sogar montiert auf den Rücksitz eines Fahrzeugs.
    Einen Rollwagen kann man auch leasen oder mieten. Für strenge Winter gibt es Zubehör für Schnee in Form von Kufen bzw. Skier. Zu dem Rollwagen gehört ein Brustgeschirr
  • Als Tragehilfe im Haus oder bei Treppen gibt es im Fachhandel ein besonders stabilisierendes verbundenes Brust- und Beckengeschirr mit Riemen vorne und hinten am Rumpf. Damit kann ein gelähmter oder gehbehinderter Hund gut getragen bzw. gestützt werden
  • Eine Rampe für das Einsteigen in das Fahrzeug ist zu empfehlen

Ernährung

  • Bei einem gehbehinderten Hund ist ein angemessenes und nicht zu hohes Gewicht von Bedeutung, daher ist leichte Kost zu empfehlen und mindestens monatlich sollte der hund gewogen werden    

Dr. M. Wartenberg

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