Identifizierung von Gefährdungsursachen wandernder Erdkröten im Bereich von Krötentunnels

Hintergrund

Unter der stark befahrenen Bundesstraße 31 bei Radolfzell-Stahringen (Landkreis Konstanz, westlicher Bodenseeraum) wurden im Frühjahr 2016 Passagetunnel für Amphibien angelegt. An dieser Stelle kreuzt eine starke Population mehrerer hundert Erdkröten sowie Grasfrösche und einige seltenere Amphibien die Straße, um in das etwa 800 m entfernte Naturschutzgebiet „Schanderied“ zum Ablaichen zu gelangen bzw. um im Sommer wieder zurück in die Hangwälder des Bodenrücks am Böhlerberg zu kommen.

Bisher wurden die Tiere mit Krötenzäunen eingefangen und von Helfern (insbesondere der Ortsgruppe Radolfzell des Bund für Umwelt und Naturschutz) über die Straße gebracht. Im Frühjahr 2016 wurde nun eine große Schutzeinrichtung mit mehreren Krötentunnels in die Straße eingebaut. Dadurch ist die unmittelbare Gefahr durch den Straßenverkehr für die Tiere nicht mehr gegeben, aber die Gefahr durch mögliche Schädigung der Tiere durch mechanische oder sprühmittelbedingte Einflüsse während der Passage durch Intensivobstanlagen entlang der Straße haben sich eher verschärft: früher wurden die Tiere in den Eimern von den Helfern auf der anderen Straßenseite ein paar Meter weit auf einem unbefahrenen Feldweg durch die Obstanlage gebracht. Heute dagegen durchqueren sie sie auf breiter Front dank der mehrfachen Tunneldurchlässe.

Problemstellung

Es ist unklar, inwieweit sich durch diese neue Situation ein Problem für die Tiere ergibt. Angesichts der Stärke der Population und der umfangreichen Investitionen in die Tunnelanlage erscheint es uns aber wichtig, dies abzuklären.

Sofern Probleme auftauchen, müssen mit den anliegenden Landwirten entsprechende Abmachungen getroffen werden. Dies erscheint auch realistisch.

Methode

Mittels terrestrischer Telemetrie wurden im März 2017 insgesamt 11 (von geplanten 20) wandernde Erdkröten zeitweise mit Peilsendern ausgestattet. Alle Tiere wurden nahe der Tunnelanlage vor dem Queren gefangen, der Fang in einigen 100 m Abstand vor der Tunnelanlage gelang leider nicht. Der Rückweg vom Laichgewässer zu den Sommerlebensräumen wurde 2017 noch nicht untersucht, siehe hierzu weiter unten.

Die Kröten wurden mit einem kleinen Radio-Peilsender ausgestattet und mit entsprechendem Empfänger lokalisiert. Der Sender wurde mit einer kurzen Kette aus Edelstahl um die Hüfte befestigt. Diese Prozedur kann von einer Person alleine in weniger als 30 Sekunden durchgeführt werden und hat sich sehr bewährt. Lediglich in drei Fällen wurde der Sender nach einiger Wegstrecke abgestreift und dann ohne Kröte gefunden. Die erforderlichen Kettenmaße waren zu Beginn der Studie noch unbekannt und waren offensichtlich etwas zu vorsichtig, d. h. zu weit, gewählt worden.

Die Telemetrie selbst war in technischer Hinsicht überraschend gut möglich, die Funkreichweiten lagen bei Tieren im nassen Gras bis zu 150 m, bei eingegrabenen Tieren immer noch um 10–30 m. Auch hierzu lagen bei Studienbeginn noch keine Erfahrungen vor. Insgesamt können wir sagen, dass wir die Methodik der Senderbefestigung und Telemetrie nach diesem ersten Jahr nun gut im Griff haben und sich die Methodik als sehr tauglich erwiesen hat.

Versuche, den Sender am Tier im Laichgewässer zu finden, blieben erfolglos. Das Gewässer ist sehr unübersichtlich in einem Niedermoor mit breiten Gebüsch- und Schilfrändern und die Detektierbarkeit des Senders im Wasser ist ganz erheblich eingeschränkt. Daher haben wir beschlossen, die Sender bereits vor Erreichen des unwegsamen Geländes im Schanderied wieder abzunehmen. Den interessierenden Teil im Umfeld der Straßenquerung haben die Tiere dann schon mindestens eine halbe Nacht hinter sich.

Projektstruktur

Das Projekt wurde in Kooperation zwischen dem MPI für Ornithologie und der BUND-Gruppe Radolfzell durchgeführt. Die BUND-Ortsgruppe bringt die Expertise zur bearbeiteten Erdkrötenpopulation sowie generell zu Amphibien mit ein und stellte Helfer für die Telemetrie (Verfolgung bzw. Suche der besenderten Kröten). Eine tierversuchsrechtliche Genehmigung für die Telemetrie der Kröten wurde vom RP Freiburg unter Registriernummer G-17/18 erteilt.

Erste Ergebnisse

Die verfolgten Wege der 10 Individuen sind in der Karte dargestellt. Eine detaillierte Auswertung erfolgte noch nicht, jedoch wurden während der Telemetriephase in lockeren Abständen „Tagebuchmeldungen“ an die Beteiligten verfasst, die einen Eindruck von der Art der ersten Erkenntnisse geben.

Die Benennung in den nachfolgenden Statusberichten erfolgt nach Sendefrequenz, bei mehrfacher Verwendung von Sendern ergänzt durch Buchstaben A, B, C. Diese Nummern korrespondieren mit den Tiernummern in der Karte wie folgt:

  • Tier 1: Sender 063, Männchen, ab 7._3._2017
  • Tier 2: Sender 063B, Männchen, ab 10._3._2017
  • Tier 3: Sender 613, Männchen, ab 8._3._2017
  • Tier 4: Sender 613B, Männchen, ab 10._3._2017
  • Tier 5: Sender 292, Weibchen, ab 18._3._2017
  • Tier 6: Sender 292B, Weibchen, ab 20._3._2017
  • Tier 7: Sender 562, Männchen, ab 7._3._2017
  • Tier 7: Sender 562, Männchen, ab 7._3._2017
  • Tier 8: Sender 504, Weibchen, ab 18._3._2017
  • Tier 9: Sender 613C, Männchen, ab 18._3._2017
  • Tier 10: Sender 504B, Männchen, ab 20._3._2017
  • Tier 11: Sender 063C, Weibchen, ab 22._3._2017

Eine Ausstattung von rückwandernden Kröten mit Telemetriesendern gelang dann letztlich aus Witterungs- und organisatorischen Gründen nicht mehr. Siehe dazu Planung für 2018 weiter unten.

Folgende Ergebnisse sind damit nach der ersten Saison bereits augenfällig:

  1. Die Methodik der telemetrischen Verfolgung wandernder Kröten ist brauchbar und lässt gute Ergebnisse erwarten.
  2. Die Kröten zeigen ein individuell sehr variables Verhalten, was Ruhephasen und Wanderphasen selbst bei gleichen Witterungsbedingungen angeht.
  3. Nicht alle Wanderungen führen in gerader Linie auf die Teiche im Schanderied zu.
  4. Bei günstiger (feuchter und frostfreier) Witterung legen die Kröten zwischen 250 und 500 m pro Nacht zurück.
  5. Paarungstandems können sich spontan trennen, auch dann, wenn sich die Tiere gegen Ende der Nacht eingraben.
  6. Männchen können auch während der Laichwanderzeit und bei günstiger, feuchter Witterung mehrere Wochen eingegraben mit einem Aktionsradius von wenigen Zentimetern überleben.
  7. Während einige Individuen die Amphibientunnel zügig durchqueren, laufen andere bis zu mehrere Tage an der Leiteinrichtung entlang, ignorieren Tunnel, an denen sie direkt vorbeikommen und graben sich sogar über längere Zeit auf der Seite vor der Unterquerung ein.
  8. Während der Untersuchungszeit kam es zu keinen Bodenbearbeitungen und zu keinen Spritzmitteleinsätzen in den Flächen unterhalb der Querungshilfe. Auch Mist wurde nicht ausgebracht. Gefährdungen der Kröten durch landwirtschaftliche Aktivitäten wurden nicht festgestellt.
  9. In Laichgewässernähe werden Kröten aus unbekannten Gründen von Ratten totgebissen. Unter den Opfern befanden sich auch laichbereite Weibchen. Der Verlust an Individuen könnte auf die Gesamtfläche und Gesamtzeit hochgerechnet durchaus erheblich sein. Dieser bisher unbekannte Sachverhalt erfordert genauere Untersuchung im kommenden Jahr.

Planung für 2018

Der Schwerpunkt 2018 soll auf der Rückwanderung vom Laichgewässer Richtung Amphibiendurchlass an der Bundesstraße und weiter bis zum Wald liegen. Hierzu wurde bereits eine Bachelor-Arbeit vergeben und ein 14-tägiger Block des Vertiefungskurses zur Tiertelemetrie an der Uni Konstanz hat die Krötentelemetrie zum Schwerpunkt. Es ist vorgesehen, durch kurze Stücke Folienzaun („Krötenzaun“) in rund 10 m Abstand vom Laichgewässer abwanderungswillige Kröten abzufangen und mit dem Peilsender zu versehen. Auch hier stehen die Fragen nach der möglichen Gefährdung im Agrarland zwischen Laichgewässer und Straße und das Verhalten an den Amphibientunnels im Mittelpunkt.

Darüber hinaus soll nochmals versucht werden, Kröten auf der Hinwanderung deutlich vor Erreichen der Leiteinrichtung an der Straße abzupassen und mit Sender zu versehen.

Ein dritter Schwerpunkt soll sich schließlich mit der Frage nach Gründen und Folgen der Rattenangriffe auf die Kröten beschäftigen.

Für diese Fragestellungen sind noch ausreichend Peilsender verfügbar.

Fördermittel

Das Projekt wurde dankenswerter Weise durch die Musella-Stiftung unterstützt. Weitere Mittel wurden in Form von Geräten, Verbrauchsmaterialien und Sprit für Institutsfahrzeige vom Max-Planck-Institut für Ornithologie beigesteuert. Alle Telemetriehelfer wurden rein ehrenamtlich tätig.

Dr. Wolfgang Fiedler (MPI Ornithologie / Vogelwarte Radolfzell)

Videobericht im SWR

Der Südwestrundfunk berichtete in der Landesschau vom 13. 3. 2017 über die begonnene Umsetzung des Projekts:

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