Wildtier- und Vogelrettung im Südschwarzwald

Bereits die Musella-Stiftung engagierte sich unter dem besonderen Einsatz der Vorsitzenden Dr. Angelika Musella stark für die Rettung verletzter und verwaister Singvögel. Seit dem Jahr 2020 befindet sich durch das Musella-Institut ein stetig wachsendes Netzwerk im Aufbau, welches sich die Rettung und Versorgung sowohl hilfsbedürftiger Wildtiere als auch Vögel zur Aufgabe gemacht hat.

Das Wildtier- und Artenschutznetzwerk bündelt und koordiniert den Einsatz von zahlreichen unterschiedlichen Organisationen und von verschiedenen Ehrenamtlichen, die seit Jahren und Jahrzehnten ihren Einsatz in diesem Bereich leisten. Als Arbeitsthemen sind vorrangig die Singvogelrettung, die Greifvogelrettung, die Igelrettung im Speziellen sowie die Wildtierrettung im Allgemeinen zu nennen.

Singvögel:

Entgegen oder vielleicht gerade wegen dramatischer Meldungen vom Rückgang der Vogelwelt landen immer mehr Vögel verschiedener Arten, die der Pflege und Aufzucht bedürfen, bei der von dem Musella-Institut geförderten Pflegestelle in Titisee-Neustadt, die im Jahr 2021 insgesamt 41 Singvögel bei sich aufnahm, und bei unserer Pflegestation im Dreisamtal. Zudem konnten viele Finder von Singvögeln – vorrangig aus dem Stadtgebiet Freiburg sowie aus der weiteren Umgebung – durch das Institut beraten und an die Pflegeeinrichtung des Tierschutzvereins Freiburg weitergeleitet werden.

Von vielen Spatzen und Amseln, über Rotschwänzchen und Buchfinken, Ringel- und Türkentauben bis zu einem Eichelhäher saßen zahlreiche Vogelbabys oder verletzte Jungvögel in der Pflegestelle im Dreisamtal und piepsten, schrien und sperrten ihre Schnäbel auf, um zu signalisieren, dass sie Hunger hatten und Unterstützung benötigten. Der zeitaufwendige Einsatz lohnt die Mühe, da die meisten sich zu selbstbewussten kleinen Wesen entwickeln, die es am Ende nicht erwarten konnten, in die Freiheit zu entfliegen.

Nicht jeder Vogel, der scheinbar verlassen auf dem Boden sitzt, sollte sofort aufgehoben werden, insbesondere dann nicht, wenn er schon befiedert ist und möglicherweise noch von seinen Eltern gefüttert wird. Viele Jungvögel (sogenannte „Ästlinge“), so auch Amseln, hüpfen und rennen – selbst wenn sie äußerlich ausgewachsen scheinen – ihren Eltern laut schreiend hinterher. Sie werden weiterhin von ihren Eltern gestopft. Sobald jedoch der Mensch eingreift, besteht die Gefahr, dass sich die Vogeleltern abwenden und das Junge jämmerlich verhungert. Warten Sie daher ab, ob nicht eine aufgeregte Mama irgendwo versteckt sitzt und ihren Schützling beobachtet.

Hier nun eine kleine Auswahl der Vögel, die sich bei uns zur Aufzucht befanden:

Spatzen sehen bemitleidenswert aus, wenn sie so nackt und klein aus dem Ei schlüpfen. Ihr Kopf mit dem überdimensionalen Schnabel ist, wie bei den meisten Tierbabys, weit größer als der restliche Körper. Auffällig sind die gelben „Mundwinkel“, die darauf hinweisen, dass es Jungvögel sind. Die Augen sind geschlossen, die Haut pergamentartig, die staksigen Füßchen wissen nicht, was sie tun sollen. Aber sie können mit jedem Tag lauter schreien, pfeifen und ihrem Ernährer zu verstehen geben, dass sie furchtbaren Hunger haben. Nach und nach wachsen dann auch die Federn und das Häuflein Elend entwickelt sich zu einem gefiederten, frechen Kerlchen. Einer unserer Spatzen hatte ein verkrüppeltes Füßchen. Um das Sitzen zu erlernen, bastelte man ihm eine Spezialstange aus Brombeerholz.

Hübsch gepunktet ist das Gefieder der jungen Grauschnäpper (auch bekannt als Fliegen-schnäpper). Drei aus dem Nest gefallene Gesellen, die sichtlich unter der Sommerhitze litten, wurden neben dem zerstörten, heruntergefallenen Nest gefunden. Sie stellten dort eine leichte Beute etwa für Katzen dar. Nach Ankunft in der Pflegestelle sperrten sie nach kurzer Zeit ihre großen, innen leuchtend roten Schnäbel auf. Sie fraßen mit Vorliebe kleine Heuhüpfer und Insekten; ihre Leibspeise waren jedoch Fliegen. Mit dem Füttern kam man kaum nach, aber am Ende konnten sie von einen Kooperationspartner erfolgreich ausgewildert werden.

Ein gewisser Höhepunkt war die intensive Pflege eines jungen, bereits ausgewachsenen Eichelhähers. Die Röntgenaufnahme zeigte, dass er – wohl aufgrund eines Unfalls – eine schwere Rückenverletzung hatte und daher nicht mehr stehen konnte. Er lag nur auf dem Rücken oder der Seite und musste gefüttert werden. Hier stellte sich die schwere Frage, ob diesem Vogel wohl noch ein vogelgerechtes Leben bevorstehen würde. Die Entscheidung war auch deshalb schwer, da Vögel ihre Schmerzen kaum zu erkennen geben, aber hochsensible und schmerzempfindliche Tiere sind. Nach ausführlicher Rücksprache mit den beteiligten Tierärzten entschieden wir uns dafür, es doch mit dem Vogel zu probieren, nicht zuletzt deshalb, da dieses Häuflein Elend einen solch unglaublichen Lebenswillen ausstrahlte.

Nach wochenlanger sehr intensiver Pflege und Fütterung erholte er sich, stand wieder auf seinen Beinen und konnte sich selbst ernähren. Er verbrachte den Winter in einer Voliere in der Vogelpflegestation und konnte im folgenden Frühjahr wieder in die Freiheit entlassen werden.

Nicht alle Schützlinge überleben, manche sind einfach schon zu geschwächt, da sie unterkühlt und zu lange ohne Nahrung waren oder eben sehr schwere Verletzungen haben. Die meisten Vogelkinder in unserer Obhut schaffen es aber: Entscheidend ist das richtige Futter (an der Schnabelform erkennt man, ob es sich um einen Insekten- oder Körnerfresser handelt), genügend Wärme, Geduld und genaue Beobachtung.

Greifvögel:

Für die Greifvogelrettung stehen dem Institut vorrangig ein auf dieses Gebiet spezialisierter Tierarzt und zwei Falknereien (www.falknerei-ruchlak.de) zur Verfügung, die sich sowohl um pflegebedürftige Jungtiere als auch um verletzte adulte Tiere kümmern. So hat der Falkner Franz Ruchlak (www.falknerei-ruchlak.de), der mit seiner Arbeit auch unseren Kooperationspartner, den Tierschutzverein Löffingen, fachkundig unterstützt, im Jahr 2021 insgesamt 62 Tiere zur Aufzucht und Pflege in seiner Falknerei aufgenommen. Hierunter sind neben zahlreichen Turmfalken und Mäusebussarden, die mit Abstand die größte Gruppe darstellen, auch je zwei Uhus und Waldohreulen, sowie je drei Waldkäuze und Sperber zu nennen. Von diesen Greifvögeln konnte nach Aufzucht und Therapie der Großteil wieder erfolgreich ausgewildert werden.

Die Mitarbeiter und ehrenamtlichen Helfer des Instituts sehen hier hauptsächlich die sachkundige Bergung sowie den Transport der Tiere zum Tierarzt und anschließend zur Falknerei als ihre Aufgabe an. Hinsichtlich besonders schwieriger Fälle konnte zu Beginn dieses Jahres eine beratende Zusammenarbeit mit der Greifvogelstation „Berg am Irchel“ in der Schweiz (www.greifvogelstation.ch) initiiert werden.

Igel:

In den vergangen Jahren hat das Leid dieser nützlichen und durch ihre Knopfaugen sehr sympathischen Lebewesen stark zugenommen. Neben den dem Klimawandel geschuldeten langen Trockenperioden und den starken Wetterschwankungen, durch welche viele Igel entweder zu spät in den Winterschlaf gehen oder aber bereits viel zu früh aus diesem erwachen, sorgt auch das Insektensterben durch eine spürbare Nahrungsverknappung für schwerwiegende Probleme. Daher werden immer häufiger kurz vor Wintereinbruch Igel gefunden, die nicht das notwendige Körpergewicht aufweisen, welches sie für ihren Winterschlaf benötigen. Als Richtwert wären hier etwa 800 Gramm in den Höhenlagen des Schwarzwalds zu nennen; den Igeln im Dreisamtal, im Elztal oder im Rheintal genügt aufgrund des kürzeren Winters hingegen ein Körpergewicht von etwa 500 Gramm, um den Winterschlaf wohlbehalten zu überstehen. Weiterhin sorgen besonders Mähroboter, die in den letzten Jahren bedauerlicherweise immer stärker Einzug in die Gärten halten, ebenso wie freilaufende, unangeleinte Hunde für schwere Verletzungen bei den stacheligen Patienten.

Die Rettung dieser verletzten und unterernährten Igel konnte in den vergangenen beiden Jahren durch die Partnerschaft mit der für Wildtiere zuständigen Pflegestelle des Tierschutzvereins Löffingen in Titisee-Neustadt sowie durch die intensivierte Kooperation mit dem Igelnetzwerk Südbaden und seinen diversen Igelpflegestellen in erheblichem Maße ausgebaut werden, wodurch das Netzwerk des Instituts mittlerweile Anfragen aus dem Bereich des westlichen Südschwarzwalds vollständig abdecken kann.

Im Jahr 2021 wurden durch die Pflegestelle in Titisee-Neustadt 29 Igel versorgt und therapiert; die Pflegestellen des Igelnetzwerks Südbaden haben insgesamt 120 Igel zur Aufzucht und Pflege aufgenommen. Als besonders schwere Fälle sind hier 6 Igel zu erwähnen, denen wegen Schnittverletzungen mit Mährobotern ein Hinterlauf amputiert werden mußte, und die daher nur noch in geschützten Bereichen ausgewildert werden können – eine stetig steigende Herausforderung für den Tierschutz. Insgesamt 35 Jungtiere konnten optimal auf ihren Winterschlaf vorbereitet und somit vor dem sicheren Tod gerettet werden. Als Neuerung ist an dieser Stelle die zeitaufwändige und langfristige Beratung von Igelfindern anzuführen, denen Hilfe zur Selbsthilfe angeboten wurde. So wurden in medizinisch einfachen Fällen die Finder durch das Team des Igelnetzwerks bei der Versorgung sachkundig beraten, wodurch zusätzliche 48 Igel wieder gesund in die Freiheit entlassen werden konnten.

Weiterführende Informationen:

Wildtiere:

Verschiedene Wildtiere, unter denen zwei Eichhörnchen, zwei Feldhasen, ein Marder, ein Dachs und eine Fledermaus zu nennen sind, wurden auf kooperierenden, von dem Musella-Institut geförderten Pflegestellen im Jahr 2021 aufgezogen bzw. gepflegt, um nach ihrem „Erwachsen werden“ bzw. ihrer Genesung wieder erfolgreich ausgewildert zu werden. Auch diesen Jahr erreichten uns schon wieder zahlreiche Patienten und in Not geratene Jungtiere wie etwa zwei Jungfüchse, ein junger Steinmarder oder ein kleines Mauswiesel. Sämtliche Maßnahmen finden in Absprache mit der unteren Naturschutzbehörde sowie mit den zuständigen Förstern oder Jagdpächtern statt, um den Vorgaben aus dem Jagd- und Wildtiermanagementgesetz (JWMG) nachzukommen.
Im Jahr 2021 konnte neben weiteren anderen Förstern der Freiburger Förster und Naturphotograph Klaus Echle für das Wildtier- und Artenschutznetzwerk gewonnen werden, der neben seiner fachkundigen Beratung bei Wildtierfragen auch durch sein zusätzliches Engagement im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit als große Bereicherung für das Projekt angesehen werden darf.

Junger Dachs

Rehkitzrettung:

Im Jahr 2022 wurde die Förderung und Kooperation mit dem Wildtierschutz Dreisamtal e. V. (www.wildtierschutz-dreisamtal.de) begründet. Die Mitglieder des neu gegründeten Vereins bieten seit diesem Jahr Landwirten in St. Peter, St. Märgen, Breitnau, Hinterzarten sowie in den Gemeinden des Dreisamtals die Drohnenbefliegung ihrer Wiesen vor der Maht an, um die Verletzung und Tötung von Kitzen zu verhindern. Diese Tierschutzmaßnahme stellt eine weitere Schnittstelle des Engagements durch das Musella-Instituts dar, im Bereich der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe des Südschwarzwalds ein höheres Maß von Tierschutz und Tierwohl zu etablieren.

Badische Zeitung Mi, 24. Januar 2024

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