Zwischen Dürre und Flut – Deutschland vor dem Wassernotstand

Vortrag: Uwe Ritzer


Uwe Ritzer, preisgekrönter Journalist der Süddeutschen Zeitung, begab sich für seinen Vortrag in der Reihe „Mensch und Schöpfung“ auf eine Deutschlandreise. Sein Anliegen war es, das Publikum für das Thema Wasser zu sensibilisieren. Bislang sei Wasser in Deutschland allgegenwärtig und die damit verbundenen Probleme in der öffentlichen
Diskussion kaum angekommen.

Zu Beginn des Vortrags las Ritzer einen Ausschnitt aus seinem Bestseller Zwischen Dürre und Flut: Im Hitzesommer 2022 scheint der Main in Jordanien zu liegen, denn in Deutschland erlebt bereits das vierte Dürrejahr in kurzer Zeit. Die Wassertemperatur ist mit 25 Grad zu warm für viele Lebewesen, die im Main und seiner Naturlandschaft leben. Ohne Bewässerung vertrocknen auch die beliebten Weinreben entlang des Flusses, viele Winzer geben ihre Tätigkeit auf.

Annährung an das Thema Wasser

Ritzer sagt von sich selbst, er sei kein Aktivist, sondern Journalist. Er möchte über das Problem der Wasserknappheit aufklären, das uns alle früher oder später treffen wird. Auf das Thema stieß er 2018, als ihn ein Bekannter aus Franken anrief, genauer gesagt aus der Kurstadt Treuchtlingen im Altmühltal. Von dort kommt ein bekannter Mineralwasserhersteller, der im großen Stil den Einzelhandel beliefert. 2018/19 lief ein Verfahren gegen die Firma, ob sie das Tiefenwasser, das dort seit 10.000 Jahren lagert, weiter fördern darf. Denn das Treuchtlinger Wasser ist dem Hersteller vorbehalten, die Bevölkerung bekommt Wasser aus einer Fernleitung. Nach einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung erhielt Ritzer viele Reaktionen aus ganz Deutschland und die Leserinnen und Leser fragten, wem das Wasser in Deutschland eigentlich gehöre? Die Frage ist schwer zu beantworten, denn die Eigentumsrechte sind regional sehr unterschiedlich und in den letzten Jahren ist ein Verteilungskampf entbrannt. Freiburg im Breisgau zum Beispiel hat viel Wasser. In anderen Regionen, vor allem in Ostdeutschland nördlich von Berlin, herrscht dagegen bereits Wassermangel. Die Grundwasservorräte in Deutschland gehen zurück, während der Bedarf steigt. Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen. Unser Trinkwasser wird zu zwei Dritteln aus Grundwasser gewonnen, das jedoch zurückgeht.

Wieso Wassermangel? Es regnet doch ständig!

Im Jahr 2024 hat es viel geregnet, es gab Überflutungen. Doch weshalb? Dürre und Flut sind zwei Seiten derselben Medaille. Es ist ein Trugschluss zu denken, dass der Klimawandel eine Pause macht, weil es in einem Jahr viel regnet. Wir werden aufgrund des Klimawandels vermehrt mit Überflutungen zu kämpfen haben. Die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 ist ein bedrückendes Beispiel. Starkregen kann vielleicht die oberen Erdschichten erreichen, aber das Grundwasser zunächst nicht auffüllen. Das überflüssige Wasser sucht sich seinen Weg und führt im Extremfall zu solchen Katastrophen. Hierbei handelt es sich um den sogenannten Blumentopf-Effekt: Eine Zimmerpflanze wird den Urlaub über vergessen. Nach der Rückkehr bemerkt der Besitzer, dass die Erde im Topf ausgetrocknet ist. Wird die Pflanze nun mit Wasser gegossen, fließt es zunächst oberflächlich ab, sickert aber nicht in den Boden ein. Übertragen bedeutet das, dass das Wasser in den Naturräumen abfließt, Schäden verursacht und letztlich nur im Meer landet, wo es dem Grundwasserpegel und der menschlichen Nutzung nicht hilft.

Grundwasser, das sich über Jahrtausende regeneriert, wird nicht so schnell wieder aufgefüllt. Die Gemeinden, in denen wir bereits Wassernotstand haben werden immer mehr, kommunale Quellen versiegen. Der Bau von Fernwasserleitungen ist sehr aufwendig und teuer. In Deutschland gibt es zudem ein Wasserpreisgefälle. Ein Kubikmeter Wasser kann den Verbraucher bis zu 2,50 € kosten, während private Brunnenbesitzer nur 3 bis 4 Cent bezahlen. Der Mineralwasserlieferant im Altmühltal zahlt dagegen gar nichts. Die Entnahme aus dem eigenen Brunnen, der laut Gesetz eigentlich Allgemeingut sein müsste, ist für ihn kostenlos. Der Versorger hat einen Vertrag mit der Gemeinde, bekommt das Wasser, das eigentlich Allgemeingut ist, umsonst und verkauft es teuer. Ist das in Deutschland akzeptabel?

Wer verbraucht in Deutschland das meiste Wasser? Was kann ich zu dem Problem beitragen?

Jeder Bundesbürger verbraucht durchschnittlich 128 Liter Wasser pro Jahr. Doch wofür wird das meiste Wasser verbraucht? Einen großen Anteil am privaten Verbrauch hat die Körperpflege. Zudem stellt sich die Frage, ob man einen Swimmingpool im Garten braucht, wenn ein Freibad in der Nähe ist. Von den 20 Milliarden Kubikmetern, die in Deutschland verbraucht werden, verbraucht allein die Wirtschaft 15 Milliarden Kubikmeter, darunter die Landwirtschaft, die chemische Industrie, die Papierindustrie und andere. Davon wird der größte Teil von den Unternehmen aus eigenen Quellen zu marginalen Kosten entnommen. In einigen Bundesländern gibt es den Wassercent – in Bayern und Thüringen ist die Entnahme jedoch kostenlos. Dadurch wird in den Produktionsabläufen nicht nach dem Kosten gefragt und nicht gespart. In Bayern wird der Wassercent seit neun Jahren diskutiert, bislang ergebnislos.

Wir Menschen denken oberflächlich, was im Untergrund passiert interessiert uns zunächst wenig. Aber auch an der Oberfläche kann man Veränderungen beobachten, z.B. in der Lausitz und versetzt in Berlin. Beim Braunkohleabbau in der Lausitz wurde Wasser in die Spree gepumpt. Seit die Braunkohle nicht mehr gefördert wird, wollen die Menschen in der Lausitz das Wasser selbst nutzen, um Seen in den Naturparks zu füllen. Die Spree wird 70 % weniger Wasser führen, was sich in Berlin bemerkbar machen wird.

In Grünheide vor den Toren Berlins wurde in Rekordzeit ein Werk des Elektrofahrzeugherstellers Tesla errichtet. Dabei wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass das Werk in einer Region mit eklatantem Wassermangel liegt. Dagegen stand bei der Planung die Hoffnung, dass der Bau der Region einen wirtschaftlichen Aufschwung bringen würde. 1,5-2 Mio. m² benötigt die Anlage pro Jahr. Doch die Reserven in der Region gehen immer schneller zur Neige, und bald stellte sich die Frage, woher das fehlende Wasser kommen sollte. Eine Idee: aus Baden-Württemberg, das dank des Bodensees über reichlich Wasser verfügt. Das Beispiel zeigt, wie die Begehrlichkeiten innerhalb Deutschlands wachsen. Viele Regionen wollen Wasser aus dem Bodensee, um ihre Region damit zu versorgen. Aber auch in der Bodenseeregion wird das Wasser knapp. Im Alpenraum müssen 170 Millionen Menschen versorgt werden und gleichzeitig schmelzen die Gletscher als weitere Ressource. Die Versorgung des Bodensees ist aber auf den Zufluss aus den Alpen angewiesen.

Schlussgedanken

Wasser ist ein immer knapper werdendes Gut, wir haben sinkende Grundwasserreserven. Wenn wir jetzt gegensteuern, haben wir die Chance, auch in einigen Jahrzehnten noch Wasser zu haben. Die nationale Wasserstrategie, die die Bundesregierung erarbeitet hat, hat 78 Punkte und ist eigentlich vorbildlich! Aber der Vorrang der Trinkwasserversorgung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und die Punkte des Plans sind ein „Wunschkatalog“, der rechtlich nicht bindend ist. Je knapper Wasser wird, desto mehr werden Begehrlichkeiten und Verteilungskämpfe entstehen – vor allem im Umland großer Ballungsräume, die das Wasser aus ihrem Umland verbrauchen. Jeder hat die Möglichkeit, an die Politik zu appellieren und seinen eigenen Konsum zu überdenken.

Link zum Buch: Zwischen Dürre und Flut. Deutschland vor dem Wassernotstand: Was jetzt passieren muss

Dr. Stephan Seiler   

Aufzeichnung des Vortrages in der Katholischen Akademie

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