Vortrag Prof. Dr. Heribert Hofer
Erfolgreiche Ansätze durch Forschungsprojekte mit Bürgerbeteiligung (12.3.2025)
Mensch oder Tier? Gemeinsam! Wie können wir Konflikte mit Wildtieren besser verstehen und Lösungen finden? Der Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung, Professor Heribert Hofer, berichtete in einem spannenden Vortrag in der Reihe Mensch und Schöpfung über seine Erfahrungen mit Wildtieren und die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Forschungsprojekten.
Der Mensch-Wildtier-Konflikt kann jeden treffen
Hofers eigener Mensch-Wildtier-Konflikt begann im eigenen Garten! Ein Waschbär, der versuchte, das Vogelfutterhäuschen zu plündern, war noch das geringste Problem. Schlimmer war der Marder, der Hofers Dachboden verwüstete – Kostenpunkt 35.000 Euro! Jeder kann also von Wildtier-Mensch-Konflikten betroffen sein und deshalb ist es wichtig, sich mit beiden Perspektiven auseinanderzusetzen: der des Menschen und der des Tieres.
Warum setzt sich Hofer für das Zusammenleben von Mensch und Wildtier ein? Für ihn ist die Lösung dieser Konflikte die Voraussetzung für eine nachhaltige Koexistenz. Denn der Mensch ist für den Verlust der biologischen Vielfalt verantwortlich: Er zerstört die natürlichen Lebensräume der Tiere durch Umweltverschmutzung, stört ihre Lebensräume und setzt den Populationen durch Wilderei zu.
Welche Rolle spielt der klassische Naturschutz? Natürlich ist es sinnvoll, seltene Arten und ihre Lebensräume zu schützen. Aber die Tiere leben nicht nur in diesen Schutzgebieten, sondern auch außerhalb! Konventionelle Naturschutzmaßnahmen sind daher notwendig, aber nicht ausreichend. Die Konflikte treten überall auf, deshalb müssen Lösungen jenseits der Schutzgebiete gefunden werden.
Bürgerbeteiligung in der Forschung
An dieser Stelle plädiert Hofer für „Forschung mit der Gesellschaft“: Bürgerwissenschaftler*innen, die sich an Forschungsprojekten beteiligen, sollen die Wissenschaft mit ihrem Know-how unterstützen. Das können Bürgerinnen und Bürger sein, die Spaß an der Natur haben und ihr eigenes Wissen erweitern wollen. Oder es handelt sich um Vertreterinnen und Vertreter von Interessensgruppen (Stakeholder), die bei der Erkenntnisgewinnung interessengeleitet sind und bereits viel Erfahrungswissen einbringen. Sie können sich durch einfache Tätigkeiten wie das Sammeln von Daten einbringen (Wissensbereitstellung), aber auch darüber hinaus gemeinsam mit der Wissenschaft in einem Reallabor Konzepte entwickeln (Wissensaustausch).
Die praktische Anwendung solcher Forschungsprojekte vertiefte Hofer mit Beispielen aus seiner Forschungstätigkeit. So habe man herausgefunden, warum Seeadler Bleivergiftungen erleiden – durch bleihaltige Geschosse in der Jagdmunition, das Blei wird über Aas aufgenommen – und wie der Population geholfen werden kann: durch die Entwicklung bleifreier Munition.
Ein weiteres populäres Thema ist das grüne Dilemma zwischen Windkraftanlagen und Fledermäusen, die durch direkte Kollision und indirekt durch Druckunterschiede getötet werden. Hofer und sein Team stellten sich die Frage: Haben Windkraftanlagen eine Lockwirkung auf Fledermäuse? Die Antwort: Ja, aber nur auf Weibchen! Würden die Betreiber die Anlagen bei geringer Leistung abschalten, gingen nur 5 % der Energie verloren, aber 80 % der Fledermäuse würden geschützt.
Geparde in Namibia
Geparde kommen in Namibia vor allem auf kommerziell genutztem Farmland vor (95%). Dort reißen sie Rinderkälber – als Konsequenz schießen die Farmer die Geparden. Die Projektbeteiligten um Hofer fragten daher die Farmer, was genau die Geparden fressen, wie viele es sind und wo sie sich aufhalten. Ein Forschungsansatz war, die Geparden mit Sendern auszustatten, um Bewegungsmuster zu erstellen. Es stellte sich heraus, dass vor allem dort, wo die Männchen ihre Reviere haben, Hotspots der Geparden-Aktivität waren. Die Lösung war einfach: Kälber können auf die Nachbarweide gebracht werden. Im ersten Jahr wurden weniger Tiere gerissen. Aber auch in den folgenden zehn Jahren. Wenn die Nutztiere nicht da sind, werden sie auch nicht von den Geparden gerissen, sondern sie reißen Wildtiere.
Wölfe in Deutschland
In Bezug auf die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland musste Hofer allerdings eine fehlende oder zögerliche Beteiligung der Akteure beklagen. Seit 1996 kommen die Tiere aus Polen zurück und es gibt zahlreiche Konflikte mit der Landwirtschaft: Tierverluste, Konkurrenz und Aufwand für Jäger, Infektion von Jagdhunden mit Wolfsparasiten und die Angst um Haustiere. Hofers Forschungsfragen drehen sich um die weitere Entwicklung? Gibt es zu viele Wölfe, verändert sich das Verhalten der Beutetiere, reißen Wölfe besonders gerne Nutztiere? Greifen Wölfe Haustiere, Wanderer und Jogger an?
Ihre Nahrungswahl richtet sich besonders auf Wildtiere. Nur sehr wenige Nutztiere werden von ihnen gerissen und keine Menschen. Die Wolfspopulation hat sich zwar stark entwickelt, bald gibt es ca. 600 erwachsene Tiere in Deutschland, aber die Kurve scheint sich abzuflachen. Wahrscheinlich sind laut Hofer 750 bis 800 erwachsene Tiere in den nächsten Jahren. Deren Überlebenswahrscheinlichkeit ist jedoch sehr gering. Sie kommen durch Verkehrsunfälle, illegale Tötung, natürliche Ursachen und Jagd um. Schutzzäune gegen Wölfe funktionieren nur im Flachland aber nicht im Schwarzwald, dort helfen eher mobile Zäune, Flatterzäune oder Hütehunde, die beispielsweise auch im Kaukasus einen sehr guten Dienst erweisen.
Doch leider sind die Wölfe ein schlechtes Beispiel für Bürgerbeteiligung in der Wissenschaft: Mehr Wölfe werden illegal getötet, legale Tötung wird einfacher und Akzeptanz in der Bevölkerung sinkt.
Fazit
Forschung mit der Gesellschaft lohnt sich, wir können Lösungen für wichtige wissenschaftliche Probleme finden und große, gesellschaftlich relevante Themen wirksam bearbeiten. In unserem Fall die biologische Vielfalt erhalten und Nachhaltigkeit leben.
Dr. Stephan Seiler
Aufzeichnung des Vortrages in der Katholischen Akademie