Vortrag: Prof. Dr. Bernd Feininger
Im Rahmen der Vortragsreihe „Mensch und Schöpfung“ sprach der Freiburger Religionswissenschaftler Prof. Dr. Bernd Feininger über bioethische Grundsätze im klassischen Judentum. Dabei stellte er den Menschen als Teil der göttlichen Schöpfung dar, der eine besondere Verantwortung gegenüber seiner Umwelt und seinen Mitgeschöpfen habe.
Auslegung der biblischen Texte: Der Mensch ist als Teil der göttlichen Schöpfung
Religionen wollen Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens und der Rolle des Menschen auf der Erde geben. Sie geben auch Handlungsanweisungen für den Umgang mit den Mitmenschen und der Umwelt. Nach jüdischem Verständnis ist die Sorge um den Planeten eine gottesdienstliche Handlung. Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit dem Judentum und seiner Lebensauffassung ist die Lektüre des Alten Testaments. Hier finden sich die grundlegenden Texte zum Verständnis des Menschen als Teil der göttlichen Schöpfung. Das Judentum kennt nicht nur die Erzählung von der Erschaffung der Erde und des Menschen durch Gott am sechsten Schöpfungstag, sondern auch den Hymnus auf den Schabbat als dessen Höhepunkt. An ihm wird nicht nur den Menschen, sondern auch den Tieren und Pflanzen, ja allen Geschöpfen zur Ehre Gottes ein Tag der Ruhe gewährt. Der Sinn des Schabbats besteht darin, Gott als ihren gemeinsamen Schöpfer zu ehren und zu loben. Auch im 5. Buch Mose wird die gesamte Tierwelt in die Schabbatheiligung einbezogen. Der Mensch darf die Tiere benennen, Adam ist damit als Gottes Verwalter zur Mitwirkung an der Schöpfung berufen. Symbol für die Naturverbundenheit des Menschen ist seine Erschaffung aus dem Ackerboden der Muttererde. Ihm wurde von Gott eine Seele eingehaucht, aber auch die Tiere und Pflanzen haben eine Tierseele (Ruach) und eine Pflanzenseele (Nefesch). Das Paradies, der Garten Eden, ist vergleichbar mit einem Tempel zur Anbetung Gottes. Neben der Schöpfungsgeschichte ist die Geschichte von Noah und der Rettung aller Geschöpfe nach der Sintflut von zentraler Bedeutung. Gott schließt einen Bund mit allen Wesen aus Fleisch und Blut. Noah hat den Auftrag, jede Tierart zu retten und für sie zu sorgen. Denn das Aussterben einer Tierart ist gleichbedeutend mit der Verstümmelung des eigenen Körpers.
Neben der Schöpfungsgeschichte ist die Geschichte von Noah und der Rettung aller Geschöpfe nach der Sintflut von zentraler Bedeutung. Gott schließt einen Bund mit allen Wesen aus Fleisch und Blut. Noah hat den Auftrag, jede Tierart zu retten und für sie zu sorgen. Denn das Aussterben einer Tierart ist gleichbedeutend mit der Verstümmelung des eigenen Körpers.
Den erstrebenswerten Idealzustand nach der Sintflut beschreibt Jesaja, wenn er davon träumt, dass alle Tiere und Menschen in einem paradiesischen Garten friedlich zusammenleben.
Drei große Aufgaben des Menschen als Prinzipien der Umweltethik
Aus der biblischen Darstellung des Menschen als Verwalter Gottes auf Erden lassen sich drei zentrale Prinzipien für den Umgang des Menschen mit Natur und Umwelt ableiten.
1. Zentrales Gebot: Du sollst nicht zerstören!
Vandalismus ist verboten oder positiv formuliert: Respekt gegenüber allem Lebendigen, aber auch gegenüber der sogenannten Es-Welt, wie es Martin Buber formuliert.
Vandalismus ist in erster Linie die Zerstörung von Dingen, die zwar von Menschenhand, aber mit Gottes Hilfe geschaffen wurden, um Mensch und Tier zu ernähren, ihnen als Behausung zu dienen oder was zum Leben notwendig ist. Durch die Bearbeitung haben diese Dinge einen Sinn und eine gewisse Lebendigkeit erhalten. Statt der Zerstörung oder ähnlicher destruktiver Handlungen ist aber die Umwandlung oder Neuschöpfung aus Altem und Ausgedientem erlaubt und möglich, der Gegenstand erfährt dadurch eine neue Sinngebung.
Respekt gilt insbesondere allem Lebendigen gegenüber. Interpretiert wird dies auch als Schutzgebot gegenüber allem Lebendigen: Tiere soll man schonen, wenn sie nicht mehr können und „dem Ochsen, der drischt, dem soll man nicht das Maul verbinden“.
2. Die Verbesserung der Welt durch die Erfüllung von Geboten
Gott hätte von Anfang an eine vollkommene Welt schaffen können. Er hat es aber bewusst nicht getan, um dem Menschen die Möglichkeit zur Mitarbeit zu geben. Der Mensch habe den Auftrag, sich um Natur und Schöpfung so zu bemühen und zu kümmern, wie es Gott gefällt. „Die Sorge um den Planeten ist deshalb auch eine gottesdienstliche Handlung“, so Feininger.
3. Und macht sie Euch Untertan: positiv gedachte Herrschaft über die Welt und ihr Leben
Der Mensch soll herrschen, aber nicht beherrschen, denn die Erde gehört ihm nicht. Er soll bewahren und bewachen, was von Gott gehört.
So ist auch das Herrschen über die Tierwelt zu verstehen: Zwar werden oftmals Worte militärischen Ursprungs verwendet, jedoch bedeutet Herrschaft keinesfalls ein Zerstören oder Ausrotten. Zwar darf der Mensch von der Natur und den Tieren nehmen, was er für seine eigene Existenz bedarf, er darf sie jedoch niemals auslöschen, sondern soll er von den Früchten der Erde auch immer für die Armen oder auch für die Tiere etwas übriglassen. Die Schabbat-Ruhe gilt beispielsweise auch für das Bestellen der Äcker und Weinreben: sechs Jahre sind sie zu bewirtschaften, im siebten Jahr sollen sie ruhen dürfen, um wieder Früchte tragen zu können.
Ist das Fleischessen erlaubt?
Der Verzehr von Fleisch ist zwar erlaubt, aber nur vom geschächteten Tier, in welchem kein lebenswarmes Blut mehr fließt. Darüber hinaus kann der Fleischgenuss auch durch die Herrschaft über sie legitimiert werden. Es soll aber keine Gewöhnung an das Fleischessen erfolgen, sondern nur gelegentlich, so dass das Triebhafte und Böse keinen zu großen Einfluss auf die menschliche Natur hat. Das Quälen eines Tieres ist jedoch verboten, weil es der Achtung vor dem Tier widerspricht.
Vielmehr muss man mit ihnen gebotenes Mitleid haben, das Kälbchen nicht von seiner Mutter trennen. Tatsächlich ist es nicht der Zweck der Tiere, ausschließlich der großen Gier des Menschen zu dienen.
Schließlich sollen bei der bei Belagerung einer Stadt im Krieg die Bäume nicht abgeholzt werden, geschützt werden sollen insbesondere die Fruchtbäume und es gibt ein Neujahrsfest zugunsten der Bäume, bei welchem Bäume gepflanzt werden und gezielt Spenden für Aufforstung gespendet werden.
Eine Besonderheit in neuerer Zeit: das Öko-Kaschrut-Leibel: ausgezeichnet werden Lebensmittel, die nicht nur koscher sind, sondern auch dem Tier- und Umweltschutz entsprechende Verarbeitung garantieren sollen.
Literaturhinweis: „Ethik im Judentum“, hrgg. vom Zentralrat der Juden in Deutschland und dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund. Berlin: Hentrich & Hentrich Verlag 2015.
Dr. Marianna Musella
Aufzeichnung des Vortrages in der Katholischen Akademie