Gen-veränderte Tiere: Fortschritt im Licht der Verantwortung

von Dr. Rebecca Albert


Die Schattenwölfe sind zurück, wann folgt das erste Mammut? Was nach Science-Fiction klingt, ist heute (fast) Realität: Mithilfe moderner Biotechnologie können Forschende das Erbgut von Tieren gezielt verändern. Die sogenannte Gen-Editierung ermöglicht es, Tiere krankheitsresistenter zu machen, ihr Wachstum zu steuern oder sogar längst ausgestorbene Arten „zurückzuholen”. Doch mit dieser Macht über das Leben stellt sich die zentrale Frage: Dürfen wir alles, was wir können?

Um solche Veränderungen in Organismen zu bewirken, nutzen Forschende das zentrale Verfahren der sogenannten „Gen-Schere“ CRISPR/Cas9. Mit dieser mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Methode können gezielt Abschnitte im Erbgut eines Lebewesens bearbeitet werden. Bereits im Jahr 2023 wurde die erste echte Gentherapie für Menschen zur Behandlung von Sichelzellanämie in Großbritannien, den USA und Europa zugelassen, ein Game-Changer in der Medizin. Bei dieser Erbkrankheit nehmen die roten Blutkörperchen eine sichelähnliche Form an. Dadurch wird der Körper nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt, was zu Gewebe- und Organschäden führen kann. Aufgrund der veränderten Form der roten Blutkörperchen steigt zudem das Risiko für Gefäßverschlüsse. Die herkömmliche lebenslange Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern. Die Gentherapie hingegen bietet die Chance auf Heilung.

Doch nicht nur Menschen und Pflanzen (siehe Diskussion um die Grüne Gentechnik: https://youtu.be/xWO3K37fWwc) sind Adressaten solcher Anwendungen, auch Tiere stehen im Fokus der Forschenden. So lassen sich etwa Eigenschaften ausschalten oder neue hinzufügen. In der Praxis bedeutet das: Kühe ohne Hörner, Schweine, die gegen bestimmte Krankheiten resistent sind, oder sogar Mammuts, die mithilfe genetischer Bausteine des asiatischen Elefanten „rekonstruiert“ werden sollen.

Aktuelles Beispiel: Gentechnisch verändertes Schweinefleisch für den Teller

Ein aktuelles Beispiel zeigt, wie weit diese Entwicklungen bereits fortgeschritten sind: In den USA hat die Lebensmittelbehörde FDA kürzlich grünes Licht für den menschlichen Verzehr von gentechnisch veränderten Schweinen gegeben. Die Tiere wurden so verändert, dass sie gegen das „Porcine Reproductive and Respiratory Syndrome Virus“ (PRRSV) immun sind – eine Krankheit, die erhebliche wirtschaftliche Schäden verursacht.

Aus Sicht der Biotechnologie ist das ein Durchbruch. Die Tiere bleiben gesünder, und die Landwirtschaft kann effizienter produzieren. Doch gleichzeitig wird deutlich, wie sehr sich die Beziehung zwischen Mensch und Tier verändert: Das Tier wird gezielt „optimiert“ – nicht, um besser leben zu können, sondern um unsere (wirtschaftlichen) Bedürfnisse besser zu erfüllen.

Zwischen Nutzen und Missbrauch

Gerade in einer Welt, in der Technik mit immer größerer Geschwindigkeit voranschreitet, ist eine ethische Orientierung wichtiger denn je. Technik darf und soll meiner Meinung nach dem Leben dienen – sie darf es aber nicht dominieren.

Befürworterinnen und Befürworter gezielter Veränderung von Pflanzen und Tieren argumentieren, dass solche Entwicklungen der Ernährungssicherheit, dem Tierwohl und dem Umweltschutz dienten: Tiere könnten weniger krank werden, weniger Medikamente benötigen, und die Fleischproduktion würde nachhaltiger.

Doch: Wird das Tier dadurch geachtet – oder funktionalisiert? Wird es durch die Gen-Editierung besser behandelt – oder einfach besser nutzbar gemacht? Viele Eingriffe lösen keine grundlegenden Probleme, sondern kaschieren sie nur. Wenn Schweine durch Gen-Editierung resistenter gegen Krankheiten werden, ändert das nichts an den beengten, stressreichen Bedingungen vieler Mastbetriebe.

Ein weiteres, ebenso faszinierendes wie umstrittenes Anwendungsfeld ist die Wiederbelebung ausgestorbener Tierarten. Unternehmen wie „Colossal Biosciences“ arbeiten daran, das ausgestorbene Wollhaarmammut mittels genetischer Rekonstruktion wieder zum Leben zu erwecken. Diese sogenannten „De-Extinction“-Projekte sind spektakulär, aber auch ethisch heikel: Welchen Lebensraum hätten diese Tiere? Könnten sie artgerecht leben oder würden sie bloß als Labor- oder Zookreaturen existieren? Kritikerinnen und Kritiker werfen Firmen wie Colossal Biosciences zudem vor, inmitten der Krise des weltweiten Artensterbens Millionen in Technologien zu investieren, deren Erfolgsaussichten fragwürdig seien. Dieses Geld sei fehlinvestiert und könnte auf effektivere Weise für den Artenschutz genutzt werden.

Die Würde der Schöpfung nicht vergessen

Die christliche Schöpfungslehre sieht den Menschen als Teil eines größeren Ganzen, nicht als Herr über die Natur. Tiere sind keine Objekte, sondern Mitgeschöpfe. Sie besitzen eine eigene Würde – auch wenn sie keine Stimme haben. Die Bibel ruft uns dazu auf, für die Schöpfung Verantwortung zu tragen, nicht sie auszubeuten.

Wenn Tiere gentechnisch verändert werden, stellt sich immer die Frage: Leiden sie darunter? Dient der Eingriff dem Tier oder allein dem Menschen? Wird ein Tier so verändert, dass es in eine Produktionslogik passt – oder sehen wir in ihm noch das lebendige Wesen, das es ist? Hier beginnt die ethische Debatte. Denn Tiere sind keine Maschinen, die man beliebig umbauen kann. Sie sind Wesen, die Schmerzen und Stress empfinden können. Viele Eingriffe ins Erbgut verursachen Leiden: Missbildungen, Fehlfunktionen oder ein gestörtes Verhalten sind die Folge. Besonders problematisch ist das bei Versuchen, neue Eigenschaften zu „züchten“ – der Weg dahin ist oft von Fehlversuchen geprägt, bei denen Tiere leiden oder sterben. So berichteten Forschende, die Mäuse mit einem mammutartigen Fellkleid erzeugten, dass weniger als zehn Prozent aller Embryonen es bis zur Geburt schafften, die meisten starben bereits im Mutterleib ab.

Auch innerhalb der Wissenschaft gibt es kritische Stimmen. Viele Forschende warnen davor, Gen-Editierung als Allheilmittel zu betrachten. Forschung sollte nicht nur dem technisch Möglichen folgen, sondern dem moralisch Verantwortbaren. Es geht nicht nur um die Frage: „Was können wir tun?“, sondern um die wichtigere Frage: „Was dürfen bzw. sollen wir tun?“.

Fazit: Fortschritt mit Augenmaß

Die Gen-Editierung ist eine mächtige Technologie. Sie kann Leiden verringern, Leben retten und den Artenschutz unterstützen. Aber sie verlangt von uns einen verantwortungsvollen Umgang – insbesondere, wenn es um Tiere geht.

Tiere sind mehr als „Nutzwesen“. Sie haben ein Recht auf Leben, Unversehrtheit und Achtung. Gerade aus christlicher Perspektive dürfen wir nicht vergessen: Technik ist kein Selbstzweck. Sie muss dem Leben dienen – nicht es verbiegen.

Wer in einem Tier nur ein Produkt sieht, verfehlt das, was uns die Schöpfung lehrt: dass jedes Lebewesen einen Wert an sich trägt, der nicht von seinem Nutzen für uns abhängt.

Und der angebliche Schattenwolf? Auch hier reagieren die Expertinnen und Experten skeptisch: Bei den drei Wölfen handele es sich nicht um Schattenwölfe, sondern um Grauwölfe, die lediglich einige entsprechende Genveränderungen trügen.

Dr. Rebecca Albert

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