Dunkel ins Licht bringen – Lichtverschmutzung und Artenschutz

Vortrag: Vera Leinert


„Dunkel ins Licht bringen“: Unter diesem Motto sprach die Diplom-Biologin Vera Leinert im Rahmen der Vortragsreihe Mensch und Schöpfung der Musella-Stiftung. Hier scheint ein Irrtum vorzuliegen! Ist es nicht ein uraltes Anliegen der Menschheit, Licht in die Dunkelheit zu bringen?   

Vera Leinert ist Diplom-Biologin im Regierungspräsidium Freiburg im Breisgau und engagiert sich ehrenamtlich für den Fledermausschutz. In ihrem Vortrag konnte sie zeigen, dass es gerade für viele Tiere eine gefährliche Lichtverschmutzung gibt und es daher notwendig ist, tatsächlich wieder mehr Dunkelheit ins Licht zu bringen. In Baden-Württemberg gibt es eine jährliche Zunahme der Lichtverschmutzung um 2% – keines der dortigen Naturschutzgebiete ist frei davon und nur 5% der Gebiete sind gering belastet. Bereits ab 0,1 bis 1 Lux gibt es Auswirkungen auf Tiere. Die durchschnittliche Straßenbeleuchtung liegt jedoch bei ungefähr 10 Lux. Viele Tierarten sind nachtaktiv, davon 28% der Wirbeltiere (Vertebraten) und 60% der Wirbellosen (Invertebraten). Lichtverschmutzung ist ein Faktor beim Insektensterben, Vögel verlieren durch Ablenkung die Orientierung und kollidieren mit Gebäuden.

Mensch-Tier-Konflikt

Wäre es also nicht einfach, den Tieren zuliebe nachts auf die Beleuchtung zu verzichten? Leider gibt es in dieser Hinsicht vielerlei Konflikte zwischen den Bedürfnissen von Mensch und Tier – die aber nicht unlösbar sind. Ein prominentes Beispiel ist die Beleuchtung von Radwegen, die aus verkehrs- und sicherheitstechnischen Gründen gewünscht ist. Wenn Licht aber unvermeidbar ist, gibt es Handlungsoptionen, wie einzelne Laternen auszuschalten oder das Licht abzuschirmen und gezielt auf die zu beleuchtende Fläche zu reduzieren. Das Ergebnis ist signifikant, insbesondere für Insekten. Auch die Naturschutzgesetze von Bund und Ländern versuchen ein Miteinander zu regeln. In Baden-Württemberg regelt § 21 NatSchG (Naturschutzgesetz) die Beleuchtung von Fassaden und Radwegen im Außenbereich. Demnach sind Beeinträchtigungen der Insektenfauna zu vermeiden, auch die Beleuchtung von Radwegen ist so gering wie möglich zu halten.

Das Nacht-Tier schlechthin: Die Fledermaus

Das Regierungspräsidium Freiburg im Breisgau untersucht in im Projekt Dunkelkorridore im Siedlungsbereich die Auswirkungen von künstlichem Licht auf Fledermäuse und die Schaffung von Dunkelkorridoren im Siedlungsbereich. Viele Arten nutzen dasselbe Quartier jedes Jahr, sie sind also nicht flexibel und auf ihre häufig tradierten Flugrouten angewiesen. Alle Fledermausarten sind lichtsensibel. Beleuchtung in und an Quartieren ist daher schädlich und zu unterlassen. Manche Arten, wie die Zwergfledermäuse, jagen opportunistischan Straßenlaternen, um die dort fliegenden Insekten einzusammeln. Diese Strategie ist nicht nachhaltig und auch Zwergfledermäuse bevorzugen auf ihren Transferflügen vom Quartier ins Jagdgebiet dunkle Bereiche.

Besonders lichtsensibel sind das Große Mausohr, die Wimperfledermaus und das Graue Langohr (streng geschützt). Anhand von Kartierungen der 60 bekannten Mausohr-Wochenstuben, der 8 bekannten Wimperfledermaus-Wochenstuben und der 28 bekannten Wochenstuben des Grauen Langohrs im RP Freiburg 2024 erläuterte Leinert die Vorgehensweise. Besonders in Dachstühlen von Kirchen sind sie nachgewiesen, da dort Ruhe herrscht und viel Platz vorhanden ist. Von der Wimpernfledermaus existieren in ganz BW nur 9 Wochenstuben. Im Regierungspräsidium Freiburg befindet sich der größten Deutschlands. Die AG Fledermausschutz Baden-Württemberg (Arbeitsgemeinschaft Fledermausschutz Baden-Württemberg e.V.) hat dort eine Webcam zur Beobachtung der Wimperfledermäuse installiert. Graue Langohrfledermäuse haben im Gegensatz zum Großen Mausohr nur sehr kleine Wochenstuben mit durchschnittlich zehn Individuen.

Ziele des Dunkelkorridor-Projektes sind die Identifizierung von Quartierrouten, die Lokalisierung von Lichtkonflikten und die Umsetzung von Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den Kommunen. In Müllheim (Baden) kommen Mausohr Fledermäuse und Wimperfledermäuse vor. Hier werden die Flugrouten erfasst und durch vermutete Routen ergänzt. Die Gemeinden können dann Maßnahmen zum Schutz der Tiere ergreifen. In Schönau beispielsweise wurden Laternen der Straßenbeleuchtung so umgerüstet und isoliert, dass die Flugrouten nicht mehr direkt angestrahlt werden.

Maßnahmen zum Schutz der Tiere

Zum Schutz der nachtaktiven Tiere vor Lichtverschmutzung sind zahlreiche Maßnahmen möglich: Abschalten einzelner Laternen, Teilabschaltung während der Aktivitätszeit, Abschirmung, Dimmung, Bewegungsmelder, niedrige Laternen und nicht zuletzt der Austausch von Leuchtmitteln. Tatsächlich könnten die Kommunen ihre Straßenbeleuchtung um 30 Prozent dimmen. Das würde Energie sparen und wäre für die Menschen kaum wahrnehmbar. Sinnvoll wäre auch die Minimierung des Blauanteils (monochromatisch und im langwelligen Spektralbereich). Einige Hersteller haben sich bereits darauf spezialisiert und bieten monochromatische Leuchtmittel an.

In der anschließenden Diskussion wurde erneut der Zielkonflikt bei Radwegen angesprochen, bei dem Sicherheit und Artenschutz im scheinbaren Widerspruch zueinanderstehen. Die Kommunen arbeiten eng zusammen, um Kompromisse zu finden. In Freiburg zum Beispiel wird die Beleuchtung der Radwege teilweise mit Bewegungsmeldern ausgestattet. Für den Straßenverkehr gibt es dagegen DIN-Normen. Die Helligkeit sollte die Mindestanforderung dabei nicht überschreiten, Stichwort „Überbeleuchtung“.

Fazit: Ein Miteinander im Siedlungsbereich ist ohne große Einschränkungen möglich. Durch lokale Maßnahmen kann viel für den Tierschutz erreicht werden, ohne die Menschen allzu sehr zu belasten.

Dr. Stephan Seiler/ Vera Leinert

Aufzeichnung des Vortrages in der Katholischen Akademie

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner